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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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des schönen Vergißmeinnicht. Mine,
Mine, Mine
! Ich vergesse dich nicht,
ich vergesse dich nicht
! --

Welke gelbe Blätter, das ist meine
Wonne, wenn sie abfallen, ich lese und
höre Gottes Wort; allein ich lege keine
Sylbe bey! und je mehr ich mich fassen
will; je ärger ists. So gehts mit den
Leidenschaften, sagte dein Vater, je mehr
man drückt, je elastischer sind sie! -- Ich,
die ich keine Fliege auf dem Rücken liegen
sehen konnte, wenn sie ans Fenster prall-
te, und sich den Kopf stieß! Ich, die ich
ihr aufhalf, obschon sie mich oft aus der
Melodie sumsete, habe unschuldig Blut
verrathen. O Mine! Ists Wun-
der, daß mir der Blütenschnee wie ein
Leichentuch vorkommt! O wenn wird
es von mir heissen: ich liege und
schlafe ohne Kummer
! Wie lange
soll ich noch fragen: Hüter, ist die
Nacht schier hin
? Wenn ruft Gott
der Herr in mein Chaos: es werde
Licht
, und es wird Licht? Wenn
fing ich im höhern Chor: der Tag ver-
treibt die finstre Nacht
?

Das

des ſchoͤnen Vergißmeinnicht. Mine,
Mine, Mine
! Ich vergeſſe dich nicht,
ich vergeſſe dich nicht
! —

Welke gelbe Blaͤtter, das iſt meine
Wonne, wenn ſie abfallen, ich leſe und
hoͤre Gottes Wort; allein ich lege keine
Sylbe bey! und je mehr ich mich faſſen
will; je aͤrger iſts. So gehts mit den
Leidenſchaften, ſagte dein Vater, je mehr
man druͤckt, je elaſtiſcher ſind ſie! — Ich,
die ich keine Fliege auf dem Ruͤcken liegen
ſehen konnte, wenn ſie ans Fenſter prall-
te, und ſich den Kopf ſtieß! Ich, die ich
ihr aufhalf, obſchon ſie mich oft aus der
Melodie ſumſete, habe unſchuldig Blut
verrathen. O Mine! Iſts Wun-
der, daß mir der Bluͤtenſchnee wie ein
Leichentuch vorkommt! O wenn wird
es von mir heiſſen: ich liege und
ſchlafe ohne Kummer
! Wie lange
ſoll ich noch fragen: Huͤter, iſt die
Nacht ſchier hin
? Wenn ruft Gott
der Herr in mein Chaos: es werde
Licht
, und es wird Licht? Wenn
fing ich im hoͤhern Chor: der Tag ver-
treibt die finſtre Nacht
?

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[45/0051] des ſchoͤnen Vergißmeinnicht. Mine, Mine, Mine! Ich vergeſſe dich nicht, ich vergeſſe dich nicht! — Welke gelbe Blaͤtter, das iſt meine Wonne, wenn ſie abfallen, ich leſe und hoͤre Gottes Wort; allein ich lege keine Sylbe bey! und je mehr ich mich faſſen will; je aͤrger iſts. So gehts mit den Leidenſchaften, ſagte dein Vater, je mehr man druͤckt, je elaſtiſcher ſind ſie! — Ich, die ich keine Fliege auf dem Ruͤcken liegen ſehen konnte, wenn ſie ans Fenſter prall- te, und ſich den Kopf ſtieß! Ich, die ich ihr aufhalf, obſchon ſie mich oft aus der Melodie ſumſete, habe unſchuldig Blut verrathen. O Mine! Iſts Wun- der, daß mir der Bluͤtenſchnee wie ein Leichentuch vorkommt! O wenn wird es von mir heiſſen: ich liege und ſchlafe ohne Kummer! Wie lange ſoll ich noch fragen: Huͤter, iſt die Nacht ſchier hin? Wenn ruft Gott der Herr in mein Chaos: es werde Licht, und es wird Licht? Wenn fing ich im hoͤhern Chor: der Tag ver- treibt die finſtre Nacht? Das

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/51>, abgerufen am 24.11.2024.