chen wäre wie todt -- Ich hörte das wie nicht und doch hat ein dergleichen wie eine große Bedeutung! -- Herr v. W -- wolte nicht aus der Rolle weichen, und das war ihm in den Jahren nicht zu verdenken! Er hatte zu viel zu behalten, um sich völlig auf sein Gedächtnis verlaßen zu können! -- Todt! Herr v. W -- Todt? Was hilft der Bräutigam, wenn die Braut fehlt? Dieser Gedanke muß ihm, wie ich vermuthe, einen Stoß gegeben haben! Er war würk- lich aus dem Concept, und gieng zu seiner Tochter, die, wie es bald darauf hies, immer schlechter würde. Soll denn, sagte Herr v. W --, da er aus Tinens Zimmer kam, aus dem Tag der Freude ein Tag des Traurens werden? Alles lief durcheinander! Die Mutter hört' ich rufen, meine Tochter! meine Tochter! so kläglich, als die Retts und die Hiers von Louisen, schallten sie mir, und o! was ist in solchen Fällen der Wohlstand? Das schrecklichste, was ich weiß! Wird Gotthard, der eben gekommen es nicht so machen, wie ehemahls, und eher die Flinte abzuschießen bemüht seyn, als sei- ner Kranken die Hand zu reichen.
Nach
chen waͤre wie todt — Ich hoͤrte das wie nicht und doch hat ein dergleichen wie eine große Bedeutung! — Herr v. W — wolte nicht aus der Rolle weichen, und das war ihm in den Jahren nicht zu verdenken! Er hatte zu viel zu behalten, um ſich voͤllig auf ſein Gedaͤchtnis verlaßen zu koͤnnen! — Todt! Herr v. W — Todt? Was hilft der Braͤutigam, wenn die Braut fehlt? Dieſer Gedanke muß ihm, wie ich vermuthe, einen Stoß gegeben haben! Er war wuͤrk- lich aus dem Concept, und gieng zu ſeiner Tochter, die, wie es bald darauf hies, immer ſchlechter wuͤrde. Soll denn, ſagte Herr v. W —, da er aus Tinens Zimmer kam, aus dem Tag der Freude ein Tag des Traurens werden? Alles lief durcheinander! Die Mutter hoͤrt’ ich rufen, meine Tochter! meine Tochter! ſo klaͤglich, als die Retts und die Hiers von Louiſen, ſchallten ſie mir, und o! was iſt in ſolchen Faͤllen der Wohlſtand? Das ſchrecklichſte, was ich weiß! Wird Gotthard, der eben gekommen es nicht ſo machen, wie ehemahls, und eher die Flinte abzuſchießen bemuͤht ſeyn, als ſei- ner Kranken die Hand zu reichen.
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chen waͤre wie todt — Ich hoͤrte das
wie nicht und doch hat ein dergleichen wie
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wolte nicht aus der Rolle weichen, und das
war ihm in den Jahren nicht zu verdenken!
Er hatte zu viel zu behalten, um ſich voͤllig
auf ſein Gedaͤchtnis verlaßen zu koͤnnen! —
Todt! Herr v. W — Todt? Was hilft
der Braͤutigam, wenn die Braut fehlt?
Dieſer Gedanke muß ihm, wie ich vermuthe,
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Tochter, die, wie es bald darauf hies, immer
ſchlechter wuͤrde. Soll denn, ſagte Herr v.
W —, da er aus Tinens Zimmer kam, aus
dem Tag der Freude ein Tag des Traurens
werden? Alles lief durcheinander! Die
Mutter hoͤrt’ ich rufen, meine Tochter!
meine Tochter! ſo klaͤglich, als die Retts
und die Hiers von Louiſen, ſchallten ſie
mir, und o! was iſt in ſolchen Faͤllen der
Wohlſtand? Das ſchrecklichſte, was ich
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 461. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/469>, abgerufen am 28.11.2024.
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