Ich weiß nicht, ob meinen Lesern noch das Vater unser beywohnt, da mein Vater und ich im Hofe des Herrn v. G -- ausgeschla- fen hatten. Wir sahen zum Fenster heraus, und da ich Abschied in diesem so seligen Hofe von ihm nahm; (es war das letztemal, daß ich meinen Vater sahe!) stieß Er ein Fenster mit einer Heftigkeit auf, die mir noch auf- fält. Mein Vater! mein Vater! Wa- gen Israels und seine Reuter! --
Ist sie es? Sie ists! Ich sahe durch mein Fenster Tinen an einem Teiche mit ei- nem Mädchen herumgehen, und immer in den Teich sehen! Solte Sie, dacht ich, an dem Tage, da ihr Herr Aeltervater mit der Frau Aeltermutter sich ehelich verbunden und auch sie Gotthardten auf ewig die Hand zu geben in dem Herrn entschlossen ist, solte sie da das Andenken des Waßerfalls feyerlich begehen! und gleich unterdrückt' ich diesen stolzen Gedanken! -- Wir thaten, als sä- hen wir uns beyde nicht, und doch sahen wir uns beyde! -- und wünschten es, daß wir uns sähen! --
Sie verschwand! --
Eine feyerliche Stille im ganzen Hause! Mehr als ein Pianißimo!
Bald
Ich weiß nicht, ob meinen Leſern noch das Vater unſer beywohnt, da mein Vater und ich im Hofe des Herrn v. G — ausgeſchla- fen hatten. Wir ſahen zum Fenſter heraus, und da ich Abſchied in dieſem ſo ſeligen Hofe von ihm nahm; (es war das letztemal, daß ich meinen Vater ſahe!) ſtieß Er ein Fenſter mit einer Heftigkeit auf, die mir noch auf- faͤlt. Mein Vater! mein Vater! Wa- gen Iſraels und ſeine Reuter! —
Iſt ſie es? Sie iſts! Ich ſahe durch mein Fenſter Tinen an einem Teiche mit ei- nem Maͤdchen herumgehen, und immer in den Teich ſehen! Solte Sie, dacht ich, an dem Tage, da ihr Herr Aeltervater mit der Frau Aeltermutter ſich ehelich verbunden und auch ſie Gotthardten auf ewig die Hand zu geben in dem Herrn entſchloſſen iſt, ſolte ſie da das Andenken des Waßerfalls feyerlich begehen! und gleich unterdruͤckt’ ich dieſen ſtolzen Gedanken! — Wir thaten, als ſaͤ- hen wir uns beyde nicht, und doch ſahen wir uns beyde! — und wuͤnſchten es, daß wir uns ſaͤhen! —
Sie verſchwand! —
Eine feyerliche Stille im ganzen Hauſe! Mehr als ein Pianißimo!
Bald
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Ich weiß nicht, ob meinen Leſern noch das
Vater unſer beywohnt, da mein Vater und
ich im Hofe des Herrn v. G — ausgeſchla-
fen hatten. Wir ſahen zum Fenſter heraus,
und da ich Abſchied in dieſem ſo ſeligen Hofe
von ihm nahm; (es war das letztemal, daß
ich meinen Vater ſahe!) ſtieß Er ein Fenſter
mit einer Heftigkeit auf, die mir noch auf-
faͤlt. Mein Vater! mein Vater! Wa-
gen Iſraels und ſeine Reuter! —
Iſt ſie es? Sie iſts! Ich ſahe durch
mein Fenſter Tinen an einem Teiche mit ei-
nem Maͤdchen herumgehen, und immer in
den Teich ſehen! Solte Sie, dacht ich, an
dem Tage, da ihr Herr Aeltervater mit der
Frau Aeltermutter ſich ehelich verbunden und
auch ſie Gotthardten auf ewig die Hand zu
geben in dem Herrn entſchloſſen iſt, ſolte ſie
da das Andenken des Waßerfalls feyerlich
begehen! und gleich unterdruͤckt’ ich dieſen
ſtolzen Gedanken! — Wir thaten, als ſaͤ-
hen wir uns beyde nicht, und doch ſahen wir
uns beyde! — und wuͤnſchten es, daß wir
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/466>, abgerufen am 22.11.2024.
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