chen ein lebendiges Wort gesprochen; so zwang ich mich doch, dem Herrn v. W -- gefälligst nachzugeben, der mich unterrichtete, warum ohne weiße Strümpfe kein Gallakleid stünde? Das that freylich mehr noth, als von meinem guten Gotthard reden zu hören. Beym weißen Strumpf, sagte Herr v. W -- ist der Fuß dicker, beym schwarzen schrumpft er vor ihren sichtlichen Augen ein. So wie beym langen Bart, fuhr er fort, das Auge immer trübe und klein ist, dagegen wie heiter, wenn der Bart abgenommen worden? Er stand bey dem Wort: abnehmen, lang an, ohnfehlbar um dem Barte nicht zu viel zu thun! Abnehmen ist ein so wohlgewähltes Wort, daß kein Königlicher Bart dagegen etwas sagen könnte! -- Daß mich Herr v. W -- nicht kannte, war das größte Feigen- blatt, so ich bey meinem Wiedervergeltungs- recht anwendbar fand! -- Von einem Manne, der nie gegenwärtig ist, sondern hin oder zurückdenkt, wie kann man erwar- ten, daß er den Retter seiner Tochter, dem er bey der Abreise mit steifem Arm zu umar- men die Ehre erwies, da er vor ihm stand, kennen solte? Ich fand ihn in allem wieder, das grisgrämische Gesicht nicht ausgenom-
men,
chen ein lebendiges Wort geſprochen; ſo zwang ich mich doch, dem Herrn v. W — gefaͤlligſt nachzugeben, der mich unterrichtete, warum ohne weiße Struͤmpfe kein Gallakleid ſtuͤnde? Das that freylich mehr noth, als von meinem guten Gotthard reden zu hoͤren. Beym weißen Strumpf, ſagte Herr v. W — iſt der Fuß dicker, beym ſchwarzen ſchrumpft er vor ihren ſichtlichen Augen ein. So wie beym langen Bart, fuhr er fort, das Auge immer truͤbe und klein iſt, dagegen wie heiter, wenn der Bart abgenommen worden? Er ſtand bey dem Wort: abnehmen, lang an, ohnfehlbar um dem Barte nicht zu viel zu thun! Abnehmen iſt ein ſo wohlgewaͤhltes Wort, daß kein Koͤniglicher Bart dagegen etwas ſagen koͤnnte! — Daß mich Herr v. W — nicht kannte, war das groͤßte Feigen- blatt, ſo ich bey meinem Wiedervergeltungs- recht anwendbar fand! — Von einem Manne, der nie gegenwaͤrtig iſt, ſondern hin oder zuruͤckdenkt, wie kann man erwar- ten, daß er den Retter ſeiner Tochter, dem er bey der Abreiſe mit ſteifem Arm zu umar- men die Ehre erwies, da er vor ihm ſtand, kennen ſolte? Ich fand ihn in allem wieder, das grisgraͤmiſche Geſicht nicht ausgenom-
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chen ein lebendiges Wort geſprochen; ſo
zwang ich mich doch, dem Herrn v. W —
gefaͤlligſt nachzugeben, der mich unterrichtete,
warum ohne weiße Struͤmpfe kein Gallakleid
ſtuͤnde? Das that freylich mehr noth, als
von meinem guten Gotthard reden zu hoͤren.
Beym weißen Strumpf, ſagte Herr v. W —
iſt der Fuß dicker, beym ſchwarzen ſchrumpft
er vor ihren ſichtlichen Augen ein. So wie
beym langen Bart, fuhr er fort, das Auge
immer truͤbe und klein iſt, dagegen wie heiter,
wenn der Bart abgenommen worden? Er
ſtand bey dem Wort: abnehmen, lang an,
ohnfehlbar um dem Barte nicht zu viel zu
thun! Abnehmen iſt ein ſo wohlgewaͤhltes
Wort, daß kein Koͤniglicher Bart dagegen
etwas ſagen koͤnnte! — Daß mich Herr v.
W — nicht kannte, war das groͤßte Feigen-
blatt, ſo ich bey meinem Wiedervergeltungs-
recht anwendbar fand! — Von einem
Manne, der nie gegenwaͤrtig iſt, ſondern
hin oder zuruͤckdenkt, wie kann man erwar-
ten, daß er den Retter ſeiner Tochter, dem
er bey der Abreiſe mit ſteifem Arm zu umar-
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/448>, abgerufen am 22.11.2024.
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