Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Musen. Wer kennt nicht, wie mein Vater,
die liebe treue neunte Zahl! -- Meine Mut-
ter schreibt, diese selbstbeständige Zahl blieb
ihm auch treu bis in den Tod. Er starb um
neun Uhr Abends, ward neun und funfzig
Jahr alt, neun Monate und neun Tage! --

Doch der Tod meines Vaters gehört zum
Vierten Bande, der seinen Lebenslauf enthal-
ten soll, den ich Bergab zu erzählen verspro-
chen habe.

So viel noch vorläufig! Er starb, wie er
ledte, sprach bis in den lezten Augenblick sei-
nes Lebens, wie Sokrates, sein Freund!

Meine Mutter beschloß ihren Brief: Cur-
land war sein Zoar, wo dieser fromme Lot
Gnade fand vor Gottes Augen. Sein Va-
terland hab ich auch in seinem lezten Augen-
blick nicht erfahren, so herzlich gern ich es
auch, die frühen Spargel und die Pfeife in
der freyen Luft, und die langen Manschetten
an seinen Ort gestellt, -- in dieser Welt ge-
wußt hätte. Er hat überwunden so manchen
Hohn, der ärger ist als andre Leiden dieser
Zeit, bey welchen wir in die Hände Gottes
fallen! -- Je mehr Pfand, je mehr Wucher!
Seine Melchisedechs Predigt, wo Salz und
Schmalz war, und so manche andere gewal-

tig

Muſen. Wer kennt nicht, wie mein Vater,
die liebe treue neunte Zahl! — Meine Mut-
ter ſchreibt, dieſe ſelbſtbeſtaͤndige Zahl blieb
ihm auch treu bis in den Tod. Er ſtarb um
neun Uhr Abends, ward neun und funfzig
Jahr alt, neun Monate und neun Tage! —

Doch der Tod meines Vaters gehoͤrt zum
Vierten Bande, der ſeinen Lebenslauf enthal-
ten ſoll, den ich Bergab zu erzaͤhlen verſpro-
chen habe.

So viel noch vorlaͤufig! Er ſtarb, wie er
ledte, ſprach bis in den lezten Augenblick ſei-
nes Lebens, wie Sokrates, ſein Freund!

Meine Mutter beſchloß ihren Brief: Cur-
land war ſein Zoar, wo dieſer fromme Lot
Gnade fand vor Gottes Augen. Sein Va-
terland hab ich auch in ſeinem lezten Augen-
blick nicht erfahren, ſo herzlich gern ich es
auch, die fruͤhen Spargel und die Pfeife in
der freyen Luft, und die langen Manſchetten
an ſeinen Ort geſtellt, — in dieſer Welt ge-
wußt haͤtte. Er hat uͤberwunden ſo manchen
Hohn, der aͤrger iſt als andre Leiden dieſer
Zeit, bey welchen wir in die Haͤnde Gottes
fallen! — Je mehr Pfand, je mehr Wucher!
Seine Melchiſedechs Predigt, wo Salz und
Schmalz war, und ſo manche andere gewal-

tig
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0042" n="36"/>
Mu&#x017F;en. Wer kennt nicht, wie mein Vater,<lb/>
die liebe treue neunte Zahl! &#x2014; Meine Mut-<lb/>
ter &#x017F;chreibt, die&#x017F;e &#x017F;elb&#x017F;tbe&#x017F;ta&#x0364;ndige Zahl blieb<lb/>
ihm auch treu bis in den Tod. Er &#x017F;tarb um<lb/>
neun Uhr Abends, ward neun und funfzig<lb/>
Jahr alt, neun Monate und neun Tage! &#x2014;</p><lb/>
        <p>Doch der Tod meines Vaters geho&#x0364;rt zum<lb/>
Vierten Bande, der &#x017F;einen Lebenslauf enthal-<lb/>
ten &#x017F;oll, den ich Bergab zu erza&#x0364;hlen ver&#x017F;pro-<lb/>
chen habe.</p><lb/>
        <p>So viel noch vorla&#x0364;ufig! Er &#x017F;tarb, wie er<lb/>
ledte, &#x017F;prach bis in den lezten Augenblick &#x017F;ei-<lb/>
nes Lebens, wie Sokrates, &#x017F;ein Freund!</p><lb/>
        <p>Meine Mutter be&#x017F;chloß ihren Brief: Cur-<lb/>
land war &#x017F;ein Zoar, wo die&#x017F;er fromme Lot<lb/>
Gnade fand vor Gottes Augen. Sein Va-<lb/>
terland hab ich auch in &#x017F;einem lezten Augen-<lb/>
blick nicht erfahren, &#x017F;o herzlich gern ich es<lb/>
auch, die fru&#x0364;hen Spargel und die Pfeife in<lb/>
der freyen Luft, und die langen Man&#x017F;chetten<lb/>
an &#x017F;einen Ort ge&#x017F;tellt, &#x2014; in die&#x017F;er Welt ge-<lb/>
wußt ha&#x0364;tte. Er hat u&#x0364;berwunden &#x017F;o manchen<lb/>
Hohn, der a&#x0364;rger i&#x017F;t als andre Leiden die&#x017F;er<lb/>
Zeit, bey welchen wir in die Ha&#x0364;nde Gottes<lb/>
fallen! &#x2014; Je mehr Pfand, je mehr Wucher!<lb/>
Seine Melchi&#x017F;edechs Predigt, wo Salz und<lb/>
Schmalz war, und &#x017F;o manche andere gewal-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">tig</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[36/0042] Muſen. Wer kennt nicht, wie mein Vater, die liebe treue neunte Zahl! — Meine Mut- ter ſchreibt, dieſe ſelbſtbeſtaͤndige Zahl blieb ihm auch treu bis in den Tod. Er ſtarb um neun Uhr Abends, ward neun und funfzig Jahr alt, neun Monate und neun Tage! — Doch der Tod meines Vaters gehoͤrt zum Vierten Bande, der ſeinen Lebenslauf enthal- ten ſoll, den ich Bergab zu erzaͤhlen verſpro- chen habe. So viel noch vorlaͤufig! Er ſtarb, wie er ledte, ſprach bis in den lezten Augenblick ſei- nes Lebens, wie Sokrates, ſein Freund! Meine Mutter beſchloß ihren Brief: Cur- land war ſein Zoar, wo dieſer fromme Lot Gnade fand vor Gottes Augen. Sein Va- terland hab ich auch in ſeinem lezten Augen- blick nicht erfahren, ſo herzlich gern ich es auch, die fruͤhen Spargel und die Pfeife in der freyen Luft, und die langen Manſchetten an ſeinen Ort geſtellt, — in dieſer Welt ge- wußt haͤtte. Er hat uͤberwunden ſo manchen Hohn, der aͤrger iſt als andre Leiden dieſer Zeit, bey welchen wir in die Haͤnde Gottes fallen! — Je mehr Pfand, je mehr Wucher! Seine Melchiſedechs Predigt, wo Salz und Schmalz war, und ſo manche andere gewal- tig

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/42
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/42>, abgerufen am 24.11.2024.