gemeiner Geist zieht in seinem Privathause gemeinhin den kürzern.
Nathanael versicherte, und auch dies war wahrlich nicht der kleinste Beweis von seinem Dienstverstande, daß er in seiner langen Praxi nie gefunden, daß ein gut denkender Mann auf einen Dieb böse gewesen, wenn er das Seinige wieder erhalten. Wir Menschen, denk ich, sehen es zu sehr ein, daß wir alle gleiche Rechte in der Welt haben, und danken Gott, wenn wir nur bey solchen Gelegenhei- ten ungeschlagen davon kommen.
Der Prediger der noch kein Wort von sei- ner Sünde wider den heiligen Geist gesagt, vielmehr seinem Herrn Schwiegersohn, weil er Justizrath war, obgleich ein in Gnaden verabschiedeter, die Vorhand gelassen, hohlte jezt alles ein, schlug Zinsen zum Capital, und bemerkte jedes Wort, das er in der zweyten Ausgabe dazu und davon gethan. Er spreng- te, da es Nathanael ihm zu lang machte übern Zaun, und der Schwiegersohn mußte ihm das Wort abtreten; obgleich er Justizrath war. Man kann sich um den Hals reden! -- auch um den Gedanken! -- Der gute Prediger fieng nicht zu seiner besten Stunde an! Gretchen kam, und ich lies den Justizrath (Gelehrsam-
keit
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gemeiner Geiſt zieht in ſeinem Privathauſe gemeinhin den kuͤrzern.
Nathanael verſicherte, und auch dies war wahrlich nicht der kleinſte Beweis von ſeinem Dienſtverſtande, daß er in ſeiner langen Praxi nie gefunden, daß ein gut denkender Mann auf einen Dieb boͤſe geweſen, wenn er das Seinige wieder erhalten. Wir Menſchen, denk ich, ſehen es zu ſehr ein, daß wir alle gleiche Rechte in der Welt haben, und danken Gott, wenn wir nur bey ſolchen Gelegenhei- ten ungeſchlagen davon kommen.
Der Prediger der noch kein Wort von ſei- ner Suͤnde wider den heiligen Geiſt geſagt, vielmehr ſeinem Herrn Schwiegerſohn, weil er Juſtizrath war, obgleich ein in Gnaden verabſchiedeter, die Vorhand gelaſſen, hohlte jezt alles ein, ſchlug Zinſen zum Capital, und bemerkte jedes Wort, das er in der zweyten Ausgabe dazu und davon gethan. Er ſpreng- te, da es Nathanael ihm zu lang machte uͤbern Zaun, und der Schwiegerſohn mußte ihm das Wort abtreten; obgleich er Juſtizrath war. Man kann ſich um den Hals reden! — auch um den Gedanken! — Der gute Prediger fieng nicht zu ſeiner beſten Stunde an! Gretchen kam, und ich lies den Juſtizrath (Gelehrſam-
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gemeiner Geiſt zieht in ſeinem Privathauſe
gemeinhin den kuͤrzern.
Nathanael verſicherte, und auch dies war
wahrlich nicht der kleinſte Beweis von ſeinem
Dienſtverſtande, daß er in ſeiner langen Praxi
nie gefunden, daß ein gut denkender Mann
auf einen Dieb boͤſe geweſen, wenn er das
Seinige wieder erhalten. Wir Menſchen,
denk ich, ſehen es zu ſehr ein, daß wir alle
gleiche Rechte in der Welt haben, und danken
Gott, wenn wir nur bey ſolchen Gelegenhei-
ten ungeſchlagen davon kommen.
Der Prediger der noch kein Wort von ſei-
ner Suͤnde wider den heiligen Geiſt geſagt,
vielmehr ſeinem Herrn Schwiegerſohn, weil
er Juſtizrath war, obgleich ein in Gnaden
verabſchiedeter, die Vorhand gelaſſen, hohlte
jezt alles ein, ſchlug Zinſen zum Capital, und
bemerkte jedes Wort, das er in der zweyten
Ausgabe dazu und davon gethan. Er ſpreng-
te, da es Nathanael ihm zu lang machte uͤbern
Zaun, und der Schwiegerſohn mußte ihm das
Wort abtreten; obgleich er Juſtizrath war.
Man kann ſich um den Hals reden! — auch
um den Gedanken! — Der gute Prediger fieng
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/417>, abgerufen am 22.11.2024.
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