Vernunft bald Sinne! Die Philosophie ist ein Wortkram! Ich leugne es nicht, daß manches Wort abgebrannt ist, und die wüste Stelle wohl verlohnte, bebaut zu werden. Nur vergeßt nicht, Freunde Grosväter, daß ihr keinen Fischzug Petri gehabt, wenn ihr hie und da Altflickereyen von Schuldefinitio- nen angebracht, ob so oder so -- Was hab ich denn, wenn ich weiß, daß geschwind, behend, schnell, nur von leblosen Sachen z. E. Kugel; rasch, hurtig hingegen von le- bendigen gebraucht wird? Ihr legt dem Menschen Daumenschrauben an, und wenn man sich recht umsieht, ist man Tag und Nacht gefahren und immer in die Runde, und auf Einem Fleck geblieben. Schwindlicht oben ein.
Unser Grosvater, der wahrlich die Bibel gelesen, die dem Homer zur Seite lag, glaubte vigore commissionis kein Wort in der Bibel; allein jedes Wort in den Reisebe- schreibungen war ihm heilig! Theater, Poe- sie mit allen At und Pertinentien waren ihm unausstehlich, wenn aber die Reisebeschrei- bung auch noch so poetisch, noch so schön war, so daß man gleich beym ersten Blick sahe, die Beschreibung, und nicht die Reise,
sey
Vernunft bald Sinne! Die Philoſophie iſt ein Wortkram! Ich leugne es nicht, daß manches Wort abgebrannt iſt, und die wuͤſte Stelle wohl verlohnte, bebaut zu werden. Nur vergeßt nicht, Freunde Grosvaͤter, daß ihr keinen Fiſchzug Petri gehabt, wenn ihr hie und da Altflickereyen von Schuldefinitio- nen angebracht, ob ſo oder ſo — Was hab ich denn, wenn ich weiß, daß geſchwind, behend, ſchnell, nur von lebloſen Sachen z. E. Kugel; raſch, hurtig hingegen von le- bendigen gebraucht wird? Ihr legt dem Menſchen Daumenſchrauben an, und wenn man ſich recht umſieht, iſt man Tag und Nacht gefahren und immer in die Runde, und auf Einem Fleck geblieben. Schwindlicht oben ein.
Unſer Grosvater, der wahrlich die Bibel geleſen, die dem Homer zur Seite lag, glaubte vigore commiſſionis kein Wort in der Bibel; allein jedes Wort in den Reiſebe- ſchreibungen war ihm heilig! Theater, Poe- ſie mit allen At und Pertinentien waren ihm unausſtehlich, wenn aber die Reiſebeſchrei- bung auch noch ſo poetiſch, noch ſo ſchoͤn war, ſo daß man gleich beym erſten Blick ſahe, die Beſchreibung, und nicht die Reiſe,
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Vernunft bald Sinne! Die Philoſophie iſt
ein Wortkram! Ich leugne es nicht, daß
manches Wort abgebrannt iſt, und die wuͤſte
Stelle wohl verlohnte, bebaut zu werden.
Nur vergeßt nicht, Freunde Grosvaͤter, daß
ihr keinen Fiſchzug Petri gehabt, wenn ihr
hie und da Altflickereyen von Schuldefinitio-
nen angebracht, ob ſo oder ſo — Was
hab ich denn, wenn ich weiß, daß geſchwind,
behend, ſchnell, nur von lebloſen Sachen
z. E. Kugel; raſch, hurtig hingegen von le-
bendigen gebraucht wird? Ihr legt dem
Menſchen Daumenſchrauben an, und wenn
man ſich recht umſieht, iſt man Tag und
Nacht gefahren und immer in die Runde,
und auf Einem Fleck geblieben. Schwindlicht
oben ein.
Unſer Grosvater, der wahrlich die Bibel
geleſen, die dem Homer zur Seite lag,
glaubte vigore commiſſionis kein Wort in der
Bibel; allein jedes Wort in den Reiſebe-
ſchreibungen war ihm heilig! Theater, Poe-
ſie mit allen At und Pertinentien waren ihm
unausſtehlich, wenn aber die Reiſebeſchrei-
bung auch noch ſo poetiſch, noch ſo ſchoͤn
war, ſo daß man gleich beym erſten Blick
ſahe, die Beſchreibung, und nicht die Reiſe,
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/382>, abgerufen am 22.11.2024.
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