Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

giengen sie zu Weine! -- Kann gewesen
seyn; denn bey meiner Rückreise erfuhr ich,
daß die Hausmütze Todes verblichen sey --
und daß der gute Grosvater, da er keinen
Blick durchs Ritzchen weiter zu befürchten
hatte, gar lustig zu jubiliren angefangen.
Alles in Ehren, versteht sich. Jetzt wieder
in Königsberg. Ich wiederholte hier meine
Studia -- Mein erster Gang war zu Sr.
Spectabilität, nach dem Signo Depositionis.
Ich fand den Grosvater auf dem Sprunge
zu einer Clubbe, zu der er mich mitnahm.
Wie man sich doch noch als Grosvater än-
dern kann, wenn man keinen Ritzenblick mehr
zu fürchten hat. Er war seiner Bande entle-
digt und jetzt ungestöhrt so froh, als wenn
seine Tochter den nemlichen Tag hätte taufen
laßen, als wenn der Täufling ein Söhnlein
sey, und noch oben ein nach dem Grosvater
genannt wäre. Setzen Sie sich an meine
grüne Seite, sagte der Professor, (eine
preußische Redensart, die zur Rechten be-
deutet.) Ich setzte mich, und machte an
dieser grünen Seite eine Anmerkung, die ich
meinen Lesern nicht verschweigen kann. Der
gute Grosvater war kein Religionsfreund,
obgleich die Bibel so wenig, wie Homer, be-

stäubt
A a 2

giengen ſie zu Weine! — Kann geweſen
ſeyn; denn bey meiner Ruͤckreiſe erfuhr ich,
daß die Hausmuͤtze Todes verblichen ſey —
und daß der gute Grosvater, da er keinen
Blick durchs Ritzchen weiter zu befuͤrchten
hatte, gar luſtig zu jubiliren angefangen.
Alles in Ehren, verſteht ſich. Jetzt wieder
in Koͤnigsberg. Ich wiederholte hier meine
Studia — Mein erſter Gang war zu Sr.
Spectabilitaͤt, nach dem Signo Depoſitionis.
Ich fand den Grosvater auf dem Sprunge
zu einer Clubbe, zu der er mich mitnahm.
Wie man ſich doch noch als Grosvater aͤn-
dern kann, wenn man keinen Ritzenblick mehr
zu fuͤrchten hat. Er war ſeiner Bande entle-
digt und jetzt ungeſtoͤhrt ſo froh, als wenn
ſeine Tochter den nemlichen Tag haͤtte taufen
laßen, als wenn der Taͤufling ein Soͤhnlein
ſey, und noch oben ein nach dem Grosvater
genannt waͤre. Setzen Sie ſich an meine
gruͤne Seite, ſagte der Profeſſor, (eine
preußiſche Redensart, die zur Rechten be-
deutet.) Ich ſetzte mich, und machte an
dieſer gruͤnen Seite eine Anmerkung, die ich
meinen Leſern nicht verſchweigen kann. Der
gute Grosvater war kein Religionsfreund,
obgleich die Bibel ſo wenig, wie Homer, be-

ſtaͤubt
A a 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0379" n="371"/>
giengen &#x017F;ie zu Weine! &#x2014; Kann gewe&#x017F;en<lb/>
&#x017F;eyn; denn bey meiner Ru&#x0364;ckrei&#x017F;e erfuhr ich,<lb/>
daß die Hausmu&#x0364;tze Todes verblichen &#x017F;ey &#x2014;<lb/>
und daß der gute Grosvater, da er keinen<lb/>
Blick durchs Ritzchen weiter zu befu&#x0364;rchten<lb/>
hatte, gar lu&#x017F;tig zu jubiliren angefangen.<lb/>
Alles in Ehren, ver&#x017F;teht &#x017F;ich. Jetzt wieder<lb/>
in Ko&#x0364;nigsberg. Ich wiederholte hier meine<lb/>
Studia &#x2014; Mein er&#x017F;ter Gang war zu Sr.<lb/>
Spectabilita&#x0364;t, nach dem Signo Depo&#x017F;itionis.<lb/>
Ich fand den Grosvater auf dem Sprunge<lb/>
zu einer Clubbe, zu der er mich mitnahm.<lb/>
Wie man &#x017F;ich doch noch als Grosvater a&#x0364;n-<lb/>
dern kann, wenn man keinen Ritzenblick mehr<lb/>
zu fu&#x0364;rchten hat. Er war &#x017F;einer Bande entle-<lb/>
digt und jetzt unge&#x017F;to&#x0364;hrt &#x017F;o froh, als wenn<lb/>
&#x017F;eine Tochter den nemlichen Tag ha&#x0364;tte taufen<lb/>
laßen, als wenn der Ta&#x0364;ufling ein So&#x0364;hnlein<lb/>
&#x017F;ey, und noch oben ein nach dem Grosvater<lb/>
genannt wa&#x0364;re. Setzen Sie &#x017F;ich an meine<lb/>
gru&#x0364;ne Seite, &#x017F;agte der Profe&#x017F;&#x017F;or, (eine<lb/>
preußi&#x017F;che Redensart, die zur Rechten be-<lb/>
deutet.) Ich &#x017F;etzte mich, und machte an<lb/>
die&#x017F;er gru&#x0364;nen Seite eine Anmerkung, die ich<lb/>
meinen Le&#x017F;ern nicht ver&#x017F;chweigen kann. Der<lb/>
gute Grosvater war kein Religionsfreund,<lb/>
obgleich die Bibel &#x017F;o wenig, wie Homer, be-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A a 2</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ta&#x0364;ubt</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[371/0379] giengen ſie zu Weine! — Kann geweſen ſeyn; denn bey meiner Ruͤckreiſe erfuhr ich, daß die Hausmuͤtze Todes verblichen ſey — und daß der gute Grosvater, da er keinen Blick durchs Ritzchen weiter zu befuͤrchten hatte, gar luſtig zu jubiliren angefangen. Alles in Ehren, verſteht ſich. Jetzt wieder in Koͤnigsberg. Ich wiederholte hier meine Studia — Mein erſter Gang war zu Sr. Spectabilitaͤt, nach dem Signo Depoſitionis. Ich fand den Grosvater auf dem Sprunge zu einer Clubbe, zu der er mich mitnahm. Wie man ſich doch noch als Grosvater aͤn- dern kann, wenn man keinen Ritzenblick mehr zu fuͤrchten hat. Er war ſeiner Bande entle- digt und jetzt ungeſtoͤhrt ſo froh, als wenn ſeine Tochter den nemlichen Tag haͤtte taufen laßen, als wenn der Taͤufling ein Soͤhnlein ſey, und noch oben ein nach dem Grosvater genannt waͤre. Setzen Sie ſich an meine gruͤne Seite, ſagte der Profeſſor, (eine preußiſche Redensart, die zur Rechten be- deutet.) Ich ſetzte mich, und machte an dieſer gruͤnen Seite eine Anmerkung, die ich meinen Leſern nicht verſchweigen kann. Der gute Grosvater war kein Religionsfreund, obgleich die Bibel ſo wenig, wie Homer, be- ſtaͤubt A a 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/379
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/379>, abgerufen am 25.11.2024.