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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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allein die Furcht sieht immer ins Weite; was
nah ist, ist vor ihren Augen verborgen! Die
Furcht hat ein Perspektiv, die Hofnung ein
Vergrößerungsglas. Sonst sind sie Töchter
Einer Mutter. Kommt man sich näher, wird
man auf einander verbittert. Man schlägt,
weil man geschlagen wird. Gehört denn da-
zu Herz? Der Lerm, der sehr wohlbedächtig
erregt wird, läßt die Vernunft zu keinem Ge-
danken! -- Man stirbt, man weiß nicht wie!
Ist das ein schwerer Tod? Hunger, Durst,
Hitze, Frost sind schwer; die Schlacht ists
nicht, bis auf die Invalidenfurcht, an die
kein braver Soldat denkt. Kommt es denn
nicht in Anschlag, in Gesellschaft zu sterben?

Beym Seetreffen thuts der Wind. Bey
Landschlachten sind Berge, Thäler und, aus-
ser diesen großen Dingen, oft die unbeträcht-
lichsten Kleinigkeiten, die wie ein Irlicht den
Feind verführen, daß er einen Schritt rück-
wärts thut. Dies seinem Volke nur einbil-
den! dies ihm nur vortaschenspielen, heißt
die Schlacht gewinnen.

Der gemeine Soldat muß jung seyn; der
Befehlshaber, sagt man, alt! Ich glaub es
selbst. Nur nicht zu jung, nicht zu alt.
Ziska commandirte und war blind. Ein

Com-

allein die Furcht ſieht immer ins Weite; was
nah iſt, iſt vor ihren Augen verborgen! Die
Furcht hat ein Perſpektiv, die Hofnung ein
Vergroͤßerungsglas. Sonſt ſind ſie Toͤchter
Einer Mutter. Kommt man ſich naͤher, wird
man auf einander verbittert. Man ſchlaͤgt,
weil man geſchlagen wird. Gehoͤrt denn da-
zu Herz? Der Lerm, der ſehr wohlbedaͤchtig
erregt wird, laͤßt die Vernunft zu keinem Ge-
danken! — Man ſtirbt, man weiß nicht wie!
Iſt das ein ſchwerer Tod? Hunger, Durſt,
Hitze, Froſt ſind ſchwer; die Schlacht iſts
nicht, bis auf die Invalidenfurcht, an die
kein braver Soldat denkt. Kommt es denn
nicht in Anſchlag, in Geſellſchaft zu ſterben?

Beym Seetreffen thuts der Wind. Bey
Landſchlachten ſind Berge, Thaͤler und, auſ-
ſer dieſen großen Dingen, oft die unbetraͤcht-
lichſten Kleinigkeiten, die wie ein Irlicht den
Feind verfuͤhren, daß er einen Schritt ruͤck-
waͤrts thut. Dies ſeinem Volke nur einbil-
den! dies ihm nur vortaſchenſpielen, heißt
die Schlacht gewinnen.

Der gemeine Soldat muß jung ſeyn; der
Befehlshaber, ſagt man, alt! Ich glaub es
ſelbſt. Nur nicht zu jung, nicht zu alt.
Ziska commandirte und war blind. Ein

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[362/0370] allein die Furcht ſieht immer ins Weite; was nah iſt, iſt vor ihren Augen verborgen! Die Furcht hat ein Perſpektiv, die Hofnung ein Vergroͤßerungsglas. Sonſt ſind ſie Toͤchter Einer Mutter. Kommt man ſich naͤher, wird man auf einander verbittert. Man ſchlaͤgt, weil man geſchlagen wird. Gehoͤrt denn da- zu Herz? Der Lerm, der ſehr wohlbedaͤchtig erregt wird, laͤßt die Vernunft zu keinem Ge- danken! — Man ſtirbt, man weiß nicht wie! Iſt das ein ſchwerer Tod? Hunger, Durſt, Hitze, Froſt ſind ſchwer; die Schlacht iſts nicht, bis auf die Invalidenfurcht, an die kein braver Soldat denkt. Kommt es denn nicht in Anſchlag, in Geſellſchaft zu ſterben? Beym Seetreffen thuts der Wind. Bey Landſchlachten ſind Berge, Thaͤler und, auſ- ſer dieſen großen Dingen, oft die unbetraͤcht- lichſten Kleinigkeiten, die wie ein Irlicht den Feind verfuͤhren, daß er einen Schritt ruͤck- waͤrts thut. Dies ſeinem Volke nur einbil- den! dies ihm nur vortaſchenſpielen, heißt die Schlacht gewinnen. Der gemeine Soldat muß jung ſeyn; der Befehlshaber, ſagt man, alt! Ich glaub es ſelbſt. Nur nicht zu jung, nicht zu alt. Ziska commandirte und war blind. Ein Com-

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/370>, abgerufen am 22.11.2024.