Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Nacht sagen könnte! Er schlief bald ein.
Seine drey Argos, die er in Göttingen hatte,
konnt' er nicht freundlich ansehen. Der Se-
lige hatte es ihm verboten. So wie sein
Schmerz nachlies, so nahm die Liebe zu den
Hunden zu. Sie heißen Argos, sagt er, ich
nehme sie mit. Der Schmerz, sagt ich ihm,
ist eine Seelenbewegung! Die Deinige hatte
sie höchstnothwendig.

Ich gesteh' es, sie war der Stockung nahe.

Fast --

ich kann mich nicht so geschwind auffreuen,
als Mancher!

Desto besser, daß du geweint hast! --

Aber weinen! --

Würden wir wohl weinen können, wenn
wir nicht weinen solten?

Gern hätt' er, wie er sagte, seinen Vater
im Sarge gesehen! Du hast mir gesagt, es
gäbe Gesichter, die sich da ausnehmen! Mein
Vater war einer von denen, die im Tode ge-
trost zu seyn verstanden. Es freute den Jun-
ker Gotthard, daß sein lieber Vater, wie ers
nannte, zu Kreuz gekrochen und sich mit der
Bibel ausgesöhnt hätte.

Seine Mutter hatt' ihm von allem unter-
richtet, und im Postscript, das fast eben so

lang

Nacht ſagen koͤnnte! Er ſchlief bald ein.
Seine drey Argos, die er in Goͤttingen hatte,
konnt’ er nicht freundlich anſehen. Der Se-
lige hatte es ihm verboten. So wie ſein
Schmerz nachlies, ſo nahm die Liebe zu den
Hunden zu. Sie heißen Argos, ſagt er, ich
nehme ſie mit. Der Schmerz, ſagt ich ihm,
iſt eine Seelenbewegung! Die Deinige hatte
ſie hoͤchſtnothwendig.

Ich geſteh’ es, ſie war der Stockung nahe.

Faſt —

ich kann mich nicht ſo geſchwind auffreuen,
als Mancher!

Deſto beſſer, daß du geweint haſt! —

Aber weinen! —

Wuͤrden wir wohl weinen koͤnnen, wenn
wir nicht weinen ſolten?

Gern haͤtt’ er, wie er ſagte, ſeinen Vater
im Sarge geſehen! Du haſt mir geſagt, es
gaͤbe Geſichter, die ſich da ausnehmen! Mein
Vater war einer von denen, die im Tode ge-
troſt zu ſeyn verſtanden. Es freute den Jun-
ker Gotthard, daß ſein lieber Vater, wie ers
nannte, zu Kreuz gekrochen und ſich mit der
Bibel ausgeſoͤhnt haͤtte.

Seine Mutter hatt’ ihm von allem unter-
richtet, und im Poſtſcript, das faſt eben ſo

lang
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0338" n="332"/>
Nacht &#x017F;agen ko&#x0364;nnte! Er &#x017F;chlief bald ein.<lb/>
Seine drey Argos, die er in Go&#x0364;ttingen hatte,<lb/>
konnt&#x2019; er nicht freundlich an&#x017F;ehen. Der Se-<lb/>
lige hatte es ihm verboten. So wie &#x017F;ein<lb/>
Schmerz nachlies, &#x017F;o nahm die Liebe zu den<lb/>
Hunden zu. Sie heißen Argos, &#x017F;agt er, ich<lb/>
nehme &#x017F;ie mit. Der Schmerz, &#x017F;agt ich ihm,<lb/>
i&#x017F;t eine Seelenbewegung! Die Deinige hatte<lb/>
&#x017F;ie ho&#x0364;ch&#x017F;tnothwendig.</p><lb/>
        <p>Ich ge&#x017F;teh&#x2019; es, &#x017F;ie war der Stockung nahe.</p><lb/>
        <p>Fa&#x017F;t &#x2014;</p><lb/>
        <p>ich kann mich nicht &#x017F;o ge&#x017F;chwind auffreuen,<lb/>
als Mancher!</p><lb/>
        <p>De&#x017F;to be&#x017F;&#x017F;er, daß du geweint ha&#x017F;t! &#x2014;</p><lb/>
        <p>Aber weinen! &#x2014;</p><lb/>
        <p>Wu&#x0364;rden wir wohl weinen ko&#x0364;nnen, wenn<lb/>
wir nicht weinen &#x017F;olten?</p><lb/>
        <p>Gern ha&#x0364;tt&#x2019; er, wie er &#x017F;agte, &#x017F;einen Vater<lb/>
im Sarge ge&#x017F;ehen! Du ha&#x017F;t mir ge&#x017F;agt, es<lb/>
ga&#x0364;be Ge&#x017F;ichter, die &#x017F;ich da ausnehmen! Mein<lb/>
Vater war einer von denen, die im Tode ge-<lb/>
tro&#x017F;t zu &#x017F;eyn ver&#x017F;tanden. Es freute den Jun-<lb/>
ker Gotthard, daß &#x017F;ein lieber Vater, wie ers<lb/>
nannte, zu Kreuz gekrochen und &#x017F;ich mit der<lb/>
Bibel ausge&#x017F;o&#x0364;hnt ha&#x0364;tte.</p><lb/>
        <p>Seine Mutter hatt&#x2019; ihm von allem unter-<lb/>
richtet, und im Po&#x017F;t&#x017F;cript, das fa&#x017F;t eben &#x017F;o<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">lang</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[332/0338] Nacht ſagen koͤnnte! Er ſchlief bald ein. Seine drey Argos, die er in Goͤttingen hatte, konnt’ er nicht freundlich anſehen. Der Se- lige hatte es ihm verboten. So wie ſein Schmerz nachlies, ſo nahm die Liebe zu den Hunden zu. Sie heißen Argos, ſagt er, ich nehme ſie mit. Der Schmerz, ſagt ich ihm, iſt eine Seelenbewegung! Die Deinige hatte ſie hoͤchſtnothwendig. Ich geſteh’ es, ſie war der Stockung nahe. Faſt — ich kann mich nicht ſo geſchwind auffreuen, als Mancher! Deſto beſſer, daß du geweint haſt! — Aber weinen! — Wuͤrden wir wohl weinen koͤnnen, wenn wir nicht weinen ſolten? Gern haͤtt’ er, wie er ſagte, ſeinen Vater im Sarge geſehen! Du haſt mir geſagt, es gaͤbe Geſichter, die ſich da ausnehmen! Mein Vater war einer von denen, die im Tode ge- troſt zu ſeyn verſtanden. Es freute den Jun- ker Gotthard, daß ſein lieber Vater, wie ers nannte, zu Kreuz gekrochen und ſich mit der Bibel ausgeſoͤhnt haͤtte. Seine Mutter hatt’ ihm von allem unter- richtet, und im Poſtſcript, das faſt eben ſo lang

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/338
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/338>, abgerufen am 22.11.2024.