ter an dem nemlichen Tage gestorben, da der ehrwürdige Alte zum leztenmal vom Gewächs des Weinstocks bey ihm getrunken! -- Eine Sttlle! --
Junker Gotthard aß den Abend keinen Bissen. Er war ernst und feyerlich. Gott- fried außer sich! -- Beyde konnten sich nicht anders nehmen, da sie herzlich betrüb waren. Gottfried weinte laut, als wolt er seinem Herrn den Rang ablaufen. Junker Gotthard keine Thräne!
Man entgeht mit eins, wenn man stirbt, allem, allem Elend, sagte Gottfried, und riß seinem Junker das Kleid herunter und band ihm das Kopftuch mit den Worten um: Ists mir doch, als wär es dem seligen Herrn! --
Ich weis nicht, ob dies oder was anders der Drucker der Flint gewesen! -- Junker Gotthard weinte heimlich. Er und ich hatten die Gewohnheit aus dem Bette gute Nacht auszuwechseln, diesmal hielt es lange an, eh sie seiner Seits zum Vorschein kam! Ich hört ihn weinen! -- Spät kam die gute Nacht, und so mit Thränen versetzt, daß ich selbst be- wegt ward! ich kein Wort, wie gute Nacht! -- Wer solte glauben, daß Junker Gotthard, dieser rauhe Jüngling, auf diese Art gute
Nacht
ter an dem nemlichen Tage geſtorben, da der ehrwuͤrdige Alte zum leztenmal vom Gewaͤchs des Weinſtocks bey ihm getrunken! — Eine Sttlle! —
Junker Gotthard aß den Abend keinen Biſſen. Er war ernſt und feyerlich. Gott- fried außer ſich! — Beyde konnten ſich nicht anders nehmen, da ſie herzlich betruͤb waren. Gottfried weinte laut, als wolt er ſeinem Herrn den Rang ablaufen. Junker Gotthard keine Thraͤne!
Man entgeht mit eins, wenn man ſtirbt, allem, allem Elend, ſagte Gottfried, und riß ſeinem Junker das Kleid herunter und band ihm das Kopftuch mit den Worten um: Iſts mir doch, als waͤr es dem ſeligen Herrn! —
Ich weis nicht, ob dies oder was anders der Drucker der Flint geweſen! — Junker Gotthard weinte heimlich. Er und ich hatten die Gewohnheit aus dem Bette gute Nacht auszuwechſeln, diesmal hielt es lange an, eh ſie ſeiner Seits zum Vorſchein kam! Ich hoͤrt ihn weinen! — Spaͤt kam die gute Nacht, und ſo mit Thraͤnen verſetzt, daß ich ſelbſt be- wegt ward! ich kein Wort, wie gute Nacht! — Wer ſolte glauben, daß Junker Gotthard, dieſer rauhe Juͤngling, auf dieſe Art gute
Nacht
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ter an dem nemlichen Tage geſtorben, da der
ehrwuͤrdige Alte zum leztenmal vom Gewaͤchs
des Weinſtocks bey ihm getrunken! — Eine
Sttlle! —
Junker Gotthard aß den Abend keinen
Biſſen. Er war ernſt und feyerlich. Gott-
fried außer ſich! — Beyde konnten ſich nicht
anders nehmen, da ſie herzlich betruͤb waren.
Gottfried weinte laut, als wolt er ſeinem
Herrn den Rang ablaufen. Junker Gotthard
keine Thraͤne!
Man entgeht mit eins, wenn man ſtirbt,
allem, allem Elend, ſagte Gottfried, und riß
ſeinem Junker das Kleid herunter und band
ihm das Kopftuch mit den Worten um: Iſts
mir doch, als waͤr es dem ſeligen Herrn! —
Ich weis nicht, ob dies oder was anders
der Drucker der Flint geweſen! — Junker
Gotthard weinte heimlich. Er und ich hatten
die Gewohnheit aus dem Bette gute Nacht
auszuwechſeln, diesmal hielt es lange an, eh
ſie ſeiner Seits zum Vorſchein kam! Ich
hoͤrt ihn weinen! — Spaͤt kam die gute Nacht,
und ſo mit Thraͤnen verſetzt, daß ich ſelbſt be-
wegt ward! ich kein Wort, wie gute Nacht!
— Wer ſolte glauben, daß Junker Gotthard,
dieſer rauhe Juͤngling, auf dieſe Art gute
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/337>, abgerufen am 25.11.2024.
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