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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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Fenster sehen! Unser Reuter selbst konnte den
Rußen nicht ein gutes Zeugnis abschlagen.
Er hatte sich mit ihnen gemessen, und sein
Vater, der, während dem dritten schlesischen
Kriege, in Preußen den Rußen zu huldigen
verbunden gewesen, hatte alles Liebes und
Gutes von diesen guten Feinden genossen! --
Alles, fügt er hinzu: alles haben die Rußen
von uns -- Mag! Man sagt freylich, die
Rußen ahmten nach. Besonders, daß eine
Nachahmung der Natur, eine Beschleichung
derselben, eine unmittelbare Befolgung der
Vernunft, eine Erfindung heißt, und von
niemanden, als wer es versteht, Nachah-
mung gescholten wird. Nur wenn ein Mensch
ein Menschnachahmer ist, heißt er Affe, Män-
chenmacher, oft Possenreisser, dann siehts aus,
als wenn man im verbotenen Grad geheyra-
thet hätte -- Ists eine Blutschande, für ein
anderes als das Vaterland den Degen blößen;
so ist hier die Blutschande noch ersichtlicher.
Wahr! daß kein Menschnachahmer es weit
bringt und die Nase (bey jeder Nachahmung
ein Hauptstück, das in Bewegung ist,) hoch
heben kann. Warum aber wahr? Weil der
Menschnachahmer vielleicht mehr vermochte,
als sein Herr und Meister, weil der Nachah-

mer
X 4

Fenſter ſehen! Unſer Reuter ſelbſt konnte den
Rußen nicht ein gutes Zeugnis abſchlagen.
Er hatte ſich mit ihnen gemeſſen, und ſein
Vater, der, waͤhrend dem dritten ſchleſiſchen
Kriege, in Preußen den Rußen zu huldigen
verbunden geweſen, hatte alles Liebes und
Gutes von dieſen guten Feinden genoſſen! —
Alles, fuͤgt er hinzu: alles haben die Rußen
von uns — Mag! Man ſagt freylich, die
Rußen ahmten nach. Beſonders, daß eine
Nachahmung der Natur, eine Beſchleichung
derſelben, eine unmittelbare Befolgung der
Vernunft, eine Erfindung heißt, und von
niemanden, als wer es verſteht, Nachah-
mung geſcholten wird. Nur wenn ein Menſch
ein Menſchnachahmer iſt, heißt er Affe, Maͤn-
chenmacher, oft Poſſenreiſſer, dann ſiehts aus,
als wenn man im verbotenen Grad geheyra-
thet haͤtte — Iſts eine Blutſchande, fuͤr ein
anderes als das Vaterland den Degen bloͤßen;
ſo iſt hier die Blutſchande noch erſichtlicher.
Wahr! daß kein Menſchnachahmer es weit
bringt und die Naſe (bey jeder Nachahmung
ein Hauptſtuͤck, das in Bewegung iſt,) hoch
heben kann. Warum aber wahr? Weil der
Menſchnachahmer vielleicht mehr vermochte,
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[327/0333] Fenſter ſehen! Unſer Reuter ſelbſt konnte den Rußen nicht ein gutes Zeugnis abſchlagen. Er hatte ſich mit ihnen gemeſſen, und ſein Vater, der, waͤhrend dem dritten ſchleſiſchen Kriege, in Preußen den Rußen zu huldigen verbunden geweſen, hatte alles Liebes und Gutes von dieſen guten Feinden genoſſen! — Alles, fuͤgt er hinzu: alles haben die Rußen von uns — Mag! Man ſagt freylich, die Rußen ahmten nach. Beſonders, daß eine Nachahmung der Natur, eine Beſchleichung derſelben, eine unmittelbare Befolgung der Vernunft, eine Erfindung heißt, und von niemanden, als wer es verſteht, Nachah- mung geſcholten wird. Nur wenn ein Menſch ein Menſchnachahmer iſt, heißt er Affe, Maͤn- chenmacher, oft Poſſenreiſſer, dann ſiehts aus, als wenn man im verbotenen Grad geheyra- thet haͤtte — Iſts eine Blutſchande, fuͤr ein anderes als das Vaterland den Degen bloͤßen; ſo iſt hier die Blutſchande noch erſichtlicher. Wahr! daß kein Menſchnachahmer es weit bringt und die Naſe (bey jeder Nachahmung ein Hauptſtuͤck, das in Bewegung iſt,) hoch heben kann. Warum aber wahr? Weil der Menſchnachahmer vielleicht mehr vermochte, als ſein Herr und Meiſter, weil der Nachah- mer X 4

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/333>, abgerufen am 24.11.2024.