es weit gebracht zu haben. So gehts mit solchen Leuten, und was schadet es, daß es so geht. Man kommt oft mit Erfahrungs- begriffen weiter, als mit Vernunftbegriffen. Bey jenem ist man unternehmend, nichts sicht uns an; bey diesen all Augenblick ein Querstrich, ein Seitensprung. Die Ver- nunft ist nicht jeder Sache gewachsen, und kann manches Gehege nicht durchbrechen, wo die Erfahrung sich Bahn macht! -- Die Baarschaft seiner Seelenkraft ergiebt sich aus seinem Briefe. Ich habe den größten Theil seines langweiligen Briefbuchs abgesichelt. Was hindert er das Land? Seine Bemer- kungen über Danzig gehen all auf Glocken- spiel heraus! In Berlin hat er keine in Gott andächtige Jungfer mit ihren Morgens und Abends zu Gott erhaben Händen gefunden. Lieschen ist tod, ihr Kind hat Gottfried nach seinen Namen genannt, und das Pro- tokoll nicht etwa eingerissen, sondern ver- brant. Noch eine Stelle find ich in seinem Briefbuch die lesenswerth seyn dörfte.
Es ist allhier Sitte, daß man die von Gottes Gnadens oder Ungnadens wie es die Leute nennen, in den Wirthshäusern
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es weit gebracht zu haben. So gehts mit ſolchen Leuten, und was ſchadet es, daß es ſo geht. Man kommt oft mit Erfahrungs- begriffen weiter, als mit Vernunftbegriffen. Bey jenem iſt man unternehmend, nichts ſicht uns an; bey dieſen all Augenblick ein Querſtrich, ein Seitenſprung. Die Ver- nunft iſt nicht jeder Sache gewachſen, und kann manches Gehege nicht durchbrechen, wo die Erfahrung ſich Bahn macht! — Die Baarſchaft ſeiner Seelenkraft ergiebt ſich aus ſeinem Briefe. Ich habe den groͤßten Theil ſeines langweiligen Briefbuchs abgeſichelt. Was hindert er das Land? Seine Bemer- kungen uͤber Danzig gehen all auf Glocken- ſpiel heraus! In Berlin hat er keine in Gott andaͤchtige Jungfer mit ihren Morgens und Abends zu Gott erhaben Haͤnden gefunden. Lieschen iſt tod, ihr Kind hat Gottfried nach ſeinen Namen genannt, und das Pro- tokoll nicht etwa eingeriſſen, ſondern ver- brant. Noch eine Stelle find ich in ſeinem Briefbuch die leſenswerth ſeyn doͤrfte.
Es iſt allhier Sitte, daß man die von Gottes Gnadens oder Ungnadens wie es die Leute nennen, in den Wirthshaͤuſern
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[307/0313]
es weit gebracht zu haben. So gehts mit
ſolchen Leuten, und was ſchadet es, daß es
ſo geht. Man kommt oft mit Erfahrungs-
begriffen weiter, als mit Vernunftbegriffen.
Bey jenem iſt man unternehmend, nichts
ſicht uns an; bey dieſen all Augenblick ein
Querſtrich, ein Seitenſprung. Die Ver-
nunft iſt nicht jeder Sache gewachſen, und
kann manches Gehege nicht durchbrechen, wo
die Erfahrung ſich Bahn macht! — Die
Baarſchaft ſeiner Seelenkraft ergiebt ſich aus
ſeinem Briefe. Ich habe den groͤßten Theil
ſeines langweiligen Briefbuchs abgeſichelt.
Was hindert er das Land? Seine Bemer-
kungen uͤber Danzig gehen all auf Glocken-
ſpiel heraus! In Berlin hat er keine in Gott
andaͤchtige Jungfer mit ihren Morgens und
Abends zu Gott erhaben Haͤnden gefunden.
Lieschen iſt tod, ihr Kind hat Gottfried
nach ſeinen Namen genannt, und das Pro-
tokoll nicht etwa eingeriſſen, ſondern ver-
brant. Noch eine Stelle find ich in ſeinem
Briefbuch die leſenswerth ſeyn doͤrfte.
Es iſt allhier Sitte, daß man die von
Gottes Gnadens oder Ungnadens wie
es die Leute nennen, in den Wirthshaͤuſern
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/313>, abgerufen am 22.11.2024.
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