"Uns ist gebobren ein Kindelein" vor einer Judenthür klingt! Es verlohnt der Mühe, drum nach Königsberg zu reisen und wenn Ew. WohlEhrwürden einen so guten Major und Junker finden, wie wir, so würd ihnen kein Haar gekrümmt, daß Ew. Wohl- Ehrwürden nicht selbst zu krümmen Lust und Belieben finden.
Bey uns essen die Juden und die Edel- leute freylich Kirschen zusammen; allein man weiß wohl wies geht, wenn paar und unpaar Kirschen essen! Ich versichre Ew. WohlEhr- würden, daß hier ein Katolik bey einem der ersten Prediger in Dienst steht. Er heißt Jo- hann und ist, bis auf den catholischen Glau- ben, ein guter Knabe, der mich neulich in sei- ne Kirche schlepte, wo ich eine Predigt gehört, die Gott sey bey uns! mir so vorkam, als wäre sie lutherisch. Das soll mir eine War- nung seyn, nie mehr in unächte Kirchen zu ge- hen. Die preußische Luft ist so tolerant, daß man wie behext da steht. Ew. WohlEhrwür- den versichere auf Ehre, daß, Gott steh uns bey! wenn ich mir die Augen verbände, ich ein Vater unser in der catholischen Kirche be- ten könnte, trotz dem Johann, der beym er- sten lutherischen Prediger dient. Wie sich das
alles
„Uns iſt gebobren ein Kindelein“ vor einer Judenthuͤr klingt! Es verlohnt der Muͤhe, drum nach Koͤnigsberg zu reiſen und wenn Ew. WohlEhrwuͤrden einen ſo guten Major und Junker finden, wie wir, ſo wuͤrd ihnen kein Haar gekruͤmmt, daß Ew. Wohl- Ehrwuͤrden nicht ſelbſt zu kruͤmmen Luſt und Belieben finden.
Bey uns eſſen die Juden und die Edel- leute freylich Kirſchen zuſammen; allein man weiß wohl wies geht, wenn paar und unpaar Kirſchen eſſen! Ich verſichre Ew. WohlEhr- wuͤrden, daß hier ein Katolik bey einem der erſten Prediger in Dienſt ſteht. Er heißt Jo- hann und iſt, bis auf den catholiſchen Glau- ben, ein guter Knabe, der mich neulich in ſei- ne Kirche ſchlepte, wo ich eine Predigt gehoͤrt, die Gott ſey bey uns! mir ſo vorkam, als waͤre ſie lutheriſch. Das ſoll mir eine War- nung ſeyn, nie mehr in unaͤchte Kirchen zu ge- hen. Die preußiſche Luft iſt ſo tolerant, daß man wie behext da ſteht. Ew. WohlEhrwuͤr- den verſichere auf Ehre, daß, Gott ſteh uns bey! wenn ich mir die Augen verbaͤnde, ich ein Vater unſer in der catholiſchen Kirche be- ten koͤnnte, trotz dem Johann, der beym er- ſten lutheriſchen Prediger dient. Wie ſich das
alles
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„Uns iſt gebobren ein Kindelein“ vor
einer Judenthuͤr klingt! Es verlohnt der
Muͤhe, drum nach Koͤnigsberg zu reiſen und
wenn Ew. WohlEhrwuͤrden einen ſo guten
Major und Junker finden, wie wir, ſo wuͤrd
ihnen kein Haar gekruͤmmt, daß Ew. Wohl-
Ehrwuͤrden nicht ſelbſt zu kruͤmmen Luſt und
Belieben finden.
Bey uns eſſen die Juden und die Edel-
leute freylich Kirſchen zuſammen; allein man
weiß wohl wies geht, wenn paar und unpaar
Kirſchen eſſen! Ich verſichre Ew. WohlEhr-
wuͤrden, daß hier ein Katolik bey einem der
erſten Prediger in Dienſt ſteht. Er heißt Jo-
hann und iſt, bis auf den catholiſchen Glau-
ben, ein guter Knabe, der mich neulich in ſei-
ne Kirche ſchlepte, wo ich eine Predigt gehoͤrt,
die Gott ſey bey uns! mir ſo vorkam, als
waͤre ſie lutheriſch. Das ſoll mir eine War-
nung ſeyn, nie mehr in unaͤchte Kirchen zu ge-
hen. Die preußiſche Luft iſt ſo tolerant, daß
man wie behext da ſteht. Ew. WohlEhrwuͤr-
den verſichere auf Ehre, daß, Gott ſteh uns
bey! wenn ich mir die Augen verbaͤnde, ich
ein Vater unſer in der catholiſchen Kirche be-
ten koͤnnte, trotz dem Johann, der beym er-
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/291>, abgerufen am 26.11.2024.
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