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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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weder in Kopf noch in Finger. Meine Her-
ren machen sich den Spas zu sagen, daß ich
viel Anlage zum Handwerk habe; aber blut-
wenig zum Gelehrten, da das Schreiben mir
wunderbarlich von statten geht, und da ich
die schwersten Worte von der Faust weg aufs
Papier setze. Das wächst alles wie Pilzen.
Wenn ich nur die Herren und Bedienten un-
ter den Worten unterscheiden könnte; aber da
liegt der Hund begraben, nicht der Argos
meines adlichen Herrn, sondern der Hund im
Sprüchwort. Wüßt' ich die großen und klei-
nen Buchstaben zu brauchen, was würde mir
dann fehlen! Im gemeinen Leben kennt man
so was an der Lievrey; bey den Buchstaben
ist all Eins, nur daß einer ein besser Gesicht
als der andre hat. Die l gefällt mir über die
Maaßen, ein schlanker Buchstab, und über-
haupt bin ich den Buchstaben gut, die gedruckt
und geschrieben sich gleich sind, da weiß man
doch woran man ist. Es wird mir herzinnig-
lich lieb seyn zu vernehmen, wenn mein lieber
Vater wohl auf wäre, der keine i geschweige
denn eine a machen kann. Für mich ist a der
schwerste Buchstab im ganzen deutschen a b c.
Schwester Trinchen, die so schrieb, wie ich,
eh ich auf die Akademie gieng, wird wohl noch

nicht

weder in Kopf noch in Finger. Meine Her-
ren machen ſich den Spas zu ſagen, daß ich
viel Anlage zum Handwerk habe; aber blut-
wenig zum Gelehrten, da das Schreiben mir
wunderbarlich von ſtatten geht, und da ich
die ſchwerſten Worte von der Fauſt weg aufs
Papier ſetze. Das waͤchſt alles wie Pilzen.
Wenn ich nur die Herren und Bedienten un-
ter den Worten unterſcheiden koͤnnte; aber da
liegt der Hund begraben, nicht der Argos
meines adlichen Herrn, ſondern der Hund im
Spruͤchwort. Wuͤßt’ ich die großen und klei-
nen Buchſtaben zu brauchen, was wuͤrde mir
dann fehlen! Im gemeinen Leben kennt man
ſo was an der Lievrey; bey den Buchſtaben
iſt all Eins, nur daß einer ein beſſer Geſicht
als der andre hat. Die l gefaͤllt mir uͤber die
Maaßen, ein ſchlanker Buchſtab, und uͤber-
haupt bin ich den Buchſtaben gut, die gedruckt
und geſchrieben ſich gleich ſind, da weiß man
doch woran man iſt. Es wird mir herzinnig-
lich lieb ſeyn zu vernehmen, wenn mein lieber
Vater wohl auf waͤre, der keine i geſchweige
denn eine a machen kann. Fuͤr mich iſt a der
ſchwerſte Buchſtab im ganzen deutſchen a b c.
Schweſter Trinchen, die ſo ſchrieb, wie ich,
eh ich auf die Akademie gieng, wird wohl noch

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[278/0284] weder in Kopf noch in Finger. Meine Her- ren machen ſich den Spas zu ſagen, daß ich viel Anlage zum Handwerk habe; aber blut- wenig zum Gelehrten, da das Schreiben mir wunderbarlich von ſtatten geht, und da ich die ſchwerſten Worte von der Fauſt weg aufs Papier ſetze. Das waͤchſt alles wie Pilzen. Wenn ich nur die Herren und Bedienten un- ter den Worten unterſcheiden koͤnnte; aber da liegt der Hund begraben, nicht der Argos meines adlichen Herrn, ſondern der Hund im Spruͤchwort. Wuͤßt’ ich die großen und klei- nen Buchſtaben zu brauchen, was wuͤrde mir dann fehlen! Im gemeinen Leben kennt man ſo was an der Lievrey; bey den Buchſtaben iſt all Eins, nur daß einer ein beſſer Geſicht als der andre hat. Die l gefaͤllt mir uͤber die Maaßen, ein ſchlanker Buchſtab, und uͤber- haupt bin ich den Buchſtaben gut, die gedruckt und geſchrieben ſich gleich ſind, da weiß man doch woran man iſt. Es wird mir herzinnig- lich lieb ſeyn zu vernehmen, wenn mein lieber Vater wohl auf waͤre, der keine i geſchweige denn eine a machen kann. Fuͤr mich iſt a der ſchwerſte Buchſtab im ganzen deutſchen a b c. Schweſter Trinchen, die ſo ſchrieb, wie ich, eh ich auf die Akademie gieng, wird wohl noch nicht

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/284>, abgerufen am 26.11.2024.