Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Socrates primus philosophiam devocauit c
coelo, et in vrbibus collocauit et in domos
etiam introduxit et coegit de vita et moribus
rebusque bonis et malis quaerere.

Herr v. G -- nahm meinen Vater bey
der Hand, als wolt' er sagen: ich versteh'
auch nicht lateinisch. Sokrates, fieng mein
Vater an, lehrte nicht wie die Welt entstan-
den, wie sie vergehen würde; er wußte nichts
von der Elektricität und ihren Würkungen;
er hätte Gott dem Herrn, wenn er ihn am
ersten Weltmorgen zu sich geladen, keinen
Rath gegeben, wiewohl etliche -- Er wußte
nichts von Zeit und Raum, von bester und
nicht bester Welt! -- Leben lehrte er, um
froh zu sterben! -- Er brachte die Philoso-
phie in Stadt und Hauß -- --

Lieber Pastor! sagte Herr v. G --, So-
krates lehrte den Stand der Gnaden, er
brachte die Philosophie in Stadt und Hauß,
das heißt: er wolte alle Gesetze heben, und
die Menschen so gesittet machen, daß sie über
alle Gesetze wären. Er wolte nicht Recht spre-
chen, sondern ohne Recht sich behelfen lehren.
Nicht also?

Mein Vater lies sich nicht aus dem Con-
cept heraus fragen. Wie treflich, sagt' er

der

Socrates primus philoſophiam devocauit c
coelo, et in vrbibus collocauit et in domos
etiam introduxit et coegit de vita et moribus
rebuſque bonis et malis quærere.

Herr v. G — nahm meinen Vater bey
der Hand, als wolt’ er ſagen: ich verſteh’
auch nicht lateiniſch. Sokrates, fieng mein
Vater an, lehrte nicht wie die Welt entſtan-
den, wie ſie vergehen wuͤrde; er wußte nichts
von der Elektricitaͤt und ihren Wuͤrkungen;
er haͤtte Gott dem Herrn, wenn er ihn am
erſten Weltmorgen zu ſich geladen, keinen
Rath gegeben, wiewohl etliche — Er wußte
nichts von Zeit und Raum, von beſter und
nicht beſter Welt! — Leben lehrte er, um
froh zu ſterben! — Er brachte die Philoſo-
phie in Stadt und Hauß — —

Lieber Paſtor! ſagte Herr v. G —, So-
krates lehrte den Stand der Gnaden, er
brachte die Philoſophie in Stadt und Hauß,
das heißt: er wolte alle Geſetze heben, und
die Menſchen ſo geſittet machen, daß ſie uͤber
alle Geſetze waͤren. Er wolte nicht Recht ſpre-
chen, ſondern ohne Recht ſich behelfen lehren.
Nicht alſo?

Mein Vater lies ſich nicht aus dem Con-
cept heraus fragen. Wie treflich, ſagt’ er

der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0268" n="262"/>
        <p> <hi rendition="#aq">Socrates primus philo&#x017F;ophiam devocauit c<lb/>
coelo, et in vrbibus collocauit et in domos<lb/>
etiam introduxit et coegit de vita et moribus<lb/>
rebu&#x017F;que bonis et malis quærere.</hi> </p><lb/>
        <p>Herr v. G &#x2014; nahm meinen Vater bey<lb/>
der Hand, als wolt&#x2019; er &#x017F;agen: ich ver&#x017F;teh&#x2019;<lb/>
auch nicht lateini&#x017F;ch. Sokrates, fieng mein<lb/>
Vater an, lehrte nicht wie die Welt ent&#x017F;tan-<lb/>
den, wie &#x017F;ie vergehen wu&#x0364;rde; er wußte nichts<lb/>
von der Elektricita&#x0364;t und ihren Wu&#x0364;rkungen;<lb/>
er ha&#x0364;tte Gott dem Herrn, wenn er ihn am<lb/>
er&#x017F;ten Weltmorgen zu &#x017F;ich geladen, keinen<lb/>
Rath gegeben, wiewohl etliche &#x2014; Er wußte<lb/>
nichts von Zeit und Raum, von be&#x017F;ter und<lb/>
nicht be&#x017F;ter Welt! &#x2014; Leben lehrte er, um<lb/>
froh zu &#x017F;terben! &#x2014; Er brachte die Philo&#x017F;o-<lb/>
phie in Stadt und Hauß &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
        <p>Lieber Pa&#x017F;tor! &#x017F;agte Herr v. G &#x2014;, So-<lb/>
krates lehrte den Stand der Gnaden, er<lb/>
brachte die Philo&#x017F;ophie in Stadt und Hauß,<lb/>
das heißt: er wolte alle Ge&#x017F;etze heben, und<lb/>
die Men&#x017F;chen &#x017F;o ge&#x017F;ittet machen, daß &#x017F;ie u&#x0364;ber<lb/>
alle Ge&#x017F;etze wa&#x0364;ren. Er wolte nicht Recht &#x017F;pre-<lb/>
chen, &#x017F;ondern ohne Recht &#x017F;ich behelfen lehren.<lb/>
Nicht al&#x017F;o?</p><lb/>
        <p>Mein Vater lies &#x017F;ich nicht aus dem Con-<lb/>
cept heraus fragen. Wie treflich, &#x017F;agt&#x2019; er<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[262/0268] Socrates primus philoſophiam devocauit c coelo, et in vrbibus collocauit et in domos etiam introduxit et coegit de vita et moribus rebuſque bonis et malis quærere. Herr v. G — nahm meinen Vater bey der Hand, als wolt’ er ſagen: ich verſteh’ auch nicht lateiniſch. Sokrates, fieng mein Vater an, lehrte nicht wie die Welt entſtan- den, wie ſie vergehen wuͤrde; er wußte nichts von der Elektricitaͤt und ihren Wuͤrkungen; er haͤtte Gott dem Herrn, wenn er ihn am erſten Weltmorgen zu ſich geladen, keinen Rath gegeben, wiewohl etliche — Er wußte nichts von Zeit und Raum, von beſter und nicht beſter Welt! — Leben lehrte er, um froh zu ſterben! — Er brachte die Philoſo- phie in Stadt und Hauß — — Lieber Paſtor! ſagte Herr v. G —, So- krates lehrte den Stand der Gnaden, er brachte die Philoſophie in Stadt und Hauß, das heißt: er wolte alle Geſetze heben, und die Menſchen ſo geſittet machen, daß ſie uͤber alle Geſetze waͤren. Er wolte nicht Recht ſpre- chen, ſondern ohne Recht ſich behelfen lehren. Nicht alſo? Mein Vater lies ſich nicht aus dem Con- cept heraus fragen. Wie treflich, ſagt’ er der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/268
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/268>, abgerufen am 28.11.2024.