wird niemand den Herrn sehen! Gott laß mich so leben, so sterben!
Leidenschaften sind Engel und können Teu- fel werden. Sie sind Beförderer, Mitwür- ker des Guten. Sie geben Spannkraft und Thätigkeit den Müden! -- Wärme und Leben dem Kaltgewordenen.
Wohl dem, der sich der Leidenschaften zu seinem eigenen und zum Vortheil seines Näch- sten bedient, der alles zu edlen Absichten lenkt! Hat doch jemand gesagt, das Ungeziefer wäre blos da, um die Faulen zur Arbeit zu trei- ben! -- Daß dich doch die Mücke dafür stäche! --
Noch nie hat sich ein Mensch seiner Sün- den als Sünden gerühmt. Er wolte viel- mehr durch diese seine Offenherzigkeit den an- dern auf das Gute aufmerksam machen, was in diesem Bösen lag. Wer Böses von sich sagt, ist oft der feinste Lobredner auf sich. Man denkt, er wolle sich was Leides thun; allein er thut sich was zu gut, so wie sich niemand ums Leben bringt, der in aller Welt
Augen
wird niemand den Herrn ſehen! Gott laß mich ſo leben, ſo ſterben!
Leidenſchaften ſind Engel und koͤnnen Teu- fel werden. Sie ſind Befoͤrderer, Mitwuͤr- ker des Guten. Sie geben Spannkraft und Thaͤtigkeit den Muͤden! — Waͤrme und Leben dem Kaltgewordenen.
Wohl dem, der ſich der Leidenſchaften zu ſeinem eigenen und zum Vortheil ſeines Naͤch- ſten bedient, der alles zu edlen Abſichten lenkt! Hat doch jemand geſagt, das Ungeziefer waͤre blos da, um die Faulen zur Arbeit zu trei- ben! — Daß dich doch die Muͤcke dafuͤr ſtaͤche! —
Noch nie hat ſich ein Menſch ſeiner Suͤn- den als Suͤnden geruͤhmt. Er wolte viel- mehr durch dieſe ſeine Offenherzigkeit den an- dern auf das Gute aufmerkſam machen, was in dieſem Boͤſen lag. Wer Boͤſes von ſich ſagt, iſt oft der feinſte Lobredner auf ſich. Man denkt, er wolle ſich was Leides thun; allein er thut ſich was zu gut, ſo wie ſich niemand ums Leben bringt, der in aller Welt
Augen
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wird niemand den Herrn ſehen! Gott laß
mich ſo leben, ſo ſterben!
Leidenſchaften ſind Engel und koͤnnen Teu-
fel werden. Sie ſind Befoͤrderer, Mitwuͤr-
ker des Guten. Sie geben Spannkraft und
Thaͤtigkeit den Muͤden! — Waͤrme und Leben
dem Kaltgewordenen.
Wohl dem, der ſich der Leidenſchaften zu
ſeinem eigenen und zum Vortheil ſeines Naͤch-
ſten bedient, der alles zu edlen Abſichten lenkt!
Hat doch jemand geſagt, das Ungeziefer waͤre
blos da, um die Faulen zur Arbeit zu trei-
ben! — Daß dich doch die Muͤcke dafuͤr
ſtaͤche! —
Noch nie hat ſich ein Menſch ſeiner Suͤn-
den als Suͤnden geruͤhmt. Er wolte viel-
mehr durch dieſe ſeine Offenherzigkeit den an-
dern auf das Gute aufmerkſam machen, was
in dieſem Boͤſen lag. Wer Boͤſes von ſich
ſagt, iſt oft der feinſte Lobredner auf ſich.
Man denkt, er wolle ſich was Leides thun;
allein er thut ſich was zu gut, ſo wie ſich
niemand ums Leben bringt, der in aller Welt
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/243>, abgerufen am 23.11.2024.
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