Beweiß, als die Liebe zum Bruder. Die meisten Menschen glauben, den lieben Gott so behandeln zu müssen, wie einen vornehmen Herrn; obgleich Christus ihn als Vater dar- gestellt hat. Er hat sich uns zum Vater hergegeben. Wer hat sich aber nicht von Jugend auf angewöhnt, Gott zu schmeichlen, dem Herzenskündiger mündlich zu versichern, was uns nicht ums Herz ist? Ihn mit den Lippen zu ehren, und die Seele, sein Gnaden- werk, von ihm zu entfernen?
Kurz, wer bemüht sich nicht, durch süße Reden Gott ums Herz zu betrügen? Solch eine Führung halt ich gerades Weges für Menschengebot und Menschentand. Wenn es mich angreift, schreye ich aus. Ich bin zuweilen ordentlich bös' auf den lieben Gott, und da wett ich, das muß ihm lieber seyn, als wenn ich den Widerwärtigkeiten äußerlich begegne, wie einem Boten von ihm, und in- nerlich wünsche, daß dieser Abgeordnete zum T -- wäre! -- Ich bekenne es frey, daß ich nicht danken, nicht beten kann, wenn mich Unglück trift. Wenns donnert, ist der lustig- ste Vogel hypochondrisch, und wenns ein schö- ner Morgen ist, wie jubilirt die ganze Schöp- fung! Ueberhaupt denk ich vom Gebet an-
ders,
Beweiß, als die Liebe zum Bruder. Die meiſten Menſchen glauben, den lieben Gott ſo behandeln zu muͤſſen, wie einen vornehmen Herrn; obgleich Chriſtus ihn als Vater dar- geſtellt hat. Er hat ſich uns zum Vater hergegeben. Wer hat ſich aber nicht von Jugend auf angewoͤhnt, Gott zu ſchmeichlen, dem Herzenskuͤndiger muͤndlich zu verſichern, was uns nicht ums Herz iſt? Ihn mit den Lippen zu ehren, und die Seele, ſein Gnaden- werk, von ihm zu entfernen?
Kurz, wer bemuͤht ſich nicht, durch ſuͤße Reden Gott ums Herz zu betruͤgen? Solch eine Fuͤhrung halt ich gerades Weges fuͤr Menſchengebot und Menſchentand. Wenn es mich angreift, ſchreye ich aus. Ich bin zuweilen ordentlich boͤſ’ auf den lieben Gott, und da wett ich, das muß ihm lieber ſeyn, als wenn ich den Widerwaͤrtigkeiten aͤußerlich begegne, wie einem Boten von ihm, und in- nerlich wuͤnſche, daß dieſer Abgeordnete zum T — waͤre! — Ich bekenne es frey, daß ich nicht danken, nicht beten kann, wenn mich Ungluͤck trift. Wenns donnert, iſt der luſtig- ſte Vogel hypochondriſch, und wenns ein ſchoͤ- ner Morgen iſt, wie jubilirt die ganze Schoͤp- fung! Ueberhaupt denk ich vom Gebet an-
ders,
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Beweiß, als die Liebe zum Bruder. Die
meiſten Menſchen glauben, den lieben Gott
ſo behandeln zu muͤſſen, wie einen vornehmen
Herrn; obgleich Chriſtus ihn als Vater dar-
geſtellt hat. Er hat ſich uns zum Vater
hergegeben. Wer hat ſich aber nicht von
Jugend auf angewoͤhnt, Gott zu ſchmeichlen,
dem Herzenskuͤndiger muͤndlich zu verſichern,
was uns nicht ums Herz iſt? Ihn mit den
Lippen zu ehren, und die Seele, ſein Gnaden-
werk, von ihm zu entfernen?
Kurz, wer bemuͤht ſich nicht, durch ſuͤße
Reden Gott ums Herz zu betruͤgen? Solch
eine Fuͤhrung halt ich gerades Weges fuͤr
Menſchengebot und Menſchentand. Wenn
es mich angreift, ſchreye ich aus. Ich bin
zuweilen ordentlich boͤſ’ auf den lieben Gott,
und da wett ich, das muß ihm lieber ſeyn,
als wenn ich den Widerwaͤrtigkeiten aͤußerlich
begegne, wie einem Boten von ihm, und in-
nerlich wuͤnſche, daß dieſer Abgeordnete zum
T — waͤre! — Ich bekenne es frey, daß ich
nicht danken, nicht beten kann, wenn mich
Ungluͤck trift. Wenns donnert, iſt der luſtig-
ſte Vogel hypochondriſch, und wenns ein ſchoͤ-
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/238>, abgerufen am 24.11.2024.
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