flicken, wie die Pastorin sagt. Es ist nicht völlig regelmäßig, glaubt ihr? und wißt ihr denn, daß sogar alles, was über die Regel wegragt, was der Regel über die Schulter sieht, göttlich ist! -- Man nennt das Geniezüge, die größer als die ge- meinen, bekannten Regeln sind, und sagt zu- weilen von einem Stück, wo doch zuweilen nur ein einziger gewagter Strich vorfällt: Ueberaus schön! Unvergleichlich! --
Ein Gesicht, ist es blos regelmäßig, kann es schön seyn, aber nicht drüber. So war das Gesicht der Jungfrau Maria schön. Christus, der Herr! hatte einen Zug, der göttlich, der nicht regelgemäs war! -- So, und nicht anders, seht die Welt an! und fin- det ihr dennoch böses? Was böse scheinet ist Gewinn; Der Tod selbst, ist mein Leben! Der Teufel selbst, ist Gottes Staatsminister.
An die Vorsehung glauben, ist weit bes- ser, als lauter gute Schicksale haben! Wir würden sonst gleichgültig gegen alles seyn! -- Du denkest nicht an Gott? Wer lange nicht an ihm gedacht hat, scheut sich, ihm nahe zu kommen! Er fürchtet sich vor ihm. Unglück! Ist denn wirklich Unglück in der Welt? Die
Künste-
flicken, wie die Paſtorin ſagt. Es iſt nicht voͤllig regelmaͤßig, glaubt ihr? und wißt ihr denn, daß ſogar alles, was uͤber die Regel wegragt, was der Regel uͤber die Schulter ſieht, goͤttlich iſt! — Man nennt das Geniezuͤge, die groͤßer als die ge- meinen, bekannten Regeln ſind, und ſagt zu- weilen von einem Stuͤck, wo doch zuweilen nur ein einziger gewagter Strich vorfaͤllt: Ueberaus ſchoͤn! Unvergleichlich! —
Ein Geſicht, iſt es blos regelmaͤßig, kann es ſchoͤn ſeyn, aber nicht druͤber. So war das Geſicht der Jungfrau Maria ſchoͤn. Chriſtus, der Herr! hatte einen Zug, der goͤttlich, der nicht regelgemaͤs war! — So, und nicht anders, ſeht die Welt an! und fin- det ihr dennoch boͤſes? Was boͤſe ſcheinet iſt Gewinn; Der Tod ſelbſt, iſt mein Leben! Der Teufel ſelbſt, iſt Gottes Staatsminiſter.
An die Vorſehung glauben, iſt weit beſ- ſer, als lauter gute Schickſale haben! Wir wuͤrden ſonſt gleichguͤltig gegen alles ſeyn! — Du denkeſt nicht an Gott? Wer lange nicht an ihm gedacht hat, ſcheut ſich, ihm nahe zu kommen! Er fuͤrchtet ſich vor ihm. Ungluͤck! Iſt denn wirklich Ungluͤck in der Welt? Die
Kuͤnſte-
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flicken, wie die Paſtorin ſagt. Es iſt nicht
voͤllig regelmaͤßig, glaubt ihr? und
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die Regel wegragt, was der Regel uͤber die
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meinen, bekannten Regeln ſind, und ſagt zu-
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nur ein einziger gewagter Strich vorfaͤllt:
Ueberaus ſchoͤn! Unvergleichlich! —
Ein Geſicht, iſt es blos regelmaͤßig, kann
es ſchoͤn ſeyn, aber nicht druͤber. So war
das Geſicht der Jungfrau Maria ſchoͤn.
Chriſtus, der Herr! hatte einen Zug, der
goͤttlich, der nicht regelgemaͤs war! — So,
und nicht anders, ſeht die Welt an! und fin-
det ihr dennoch boͤſes?
Was boͤſe ſcheinet iſt Gewinn;
Der Tod ſelbſt, iſt mein Leben!
Der Teufel ſelbſt, iſt Gottes Staatsminiſter.
An die Vorſehung glauben, iſt weit beſ-
ſer, als lauter gute Schickſale haben! Wir
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Du denkeſt nicht an Gott? Wer lange nicht
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/229>, abgerufen am 23.11.2024.
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