aber denken, daß der Mensch wieder zurück- kommen werde, und zwar aus Grundsätzen zurückkommen werde, wo er ausgieng, daß zuletzt wieder die Welt ein Paradies seyn und jeder Mann, Adam, und jedes Weib seine Ribbe seyn werde. Das tausendjährige Reich, wovon so viele träumen, liegt sehr verworren in diesem Gedanken, sehr verwor- ren! kein Stein auf dem andern. Meine Beruhigung ist, daß alles, was möglich ist, auch würklich sey oder werde. Warum wär' es sonst möglich? Die Gelehrten haben sich oft gestritten, ob der Mensch gesellig, oder ungesellig sey? So oft die Gelehrten sich gleich vergebens gestritten; so ist doch diese Frage keine vergebliche. Jeder Mensch sucht selbst im Staat sich zu befreyen. Es ist seine Herzenslust, wenn er sich nur einigermaaßen in Freyheit setzen kann. Jeder kluge Gesetz- geber muß gewisse Fälle dem Menschen an- heimstellen, wo er frey seyn kann; sonst würde er zuverläßig auch den menschenfreundlichsten Landesherrn Tyrann heißen, und sich sein Joch abschütteln, so sanft, so wohlmeynend es ist. Dagegen würde der Mensch den größten Ty- rannen ertragen, wenn er ihm nur hie und da im freyen ließe. Monarchen, die Religions-
frey-
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aber denken, daß der Menſch wieder zuruͤck- kommen werde, und zwar aus Grundſaͤtzen zuruͤckkommen werde, wo er ausgieng, daß zuletzt wieder die Welt ein Paradies ſeyn und jeder Mann, Adam, und jedes Weib ſeine Ribbe ſeyn werde. Das tauſendjaͤhrige Reich, wovon ſo viele traͤumen, liegt ſehr verworren in dieſem Gedanken, ſehr verwor- ren! kein Stein auf dem andern. Meine Beruhigung iſt, daß alles, was moͤglich iſt, auch wuͤrklich ſey oder werde. Warum waͤr’ es ſonſt moͤglich? Die Gelehrten haben ſich oft geſtritten, ob der Menſch geſellig, oder ungeſellig ſey? So oft die Gelehrten ſich gleich vergebens geſtritten; ſo iſt doch dieſe Frage keine vergebliche. Jeder Menſch ſucht ſelbſt im Staat ſich zu befreyen. Es iſt ſeine Herzensluſt, wenn er ſich nur einigermaaßen in Freyheit ſetzen kann. Jeder kluge Geſetz- geber muß gewiſſe Faͤlle dem Menſchen an- heimſtellen, wo er frey ſeyn kann; ſonſt wuͤrde er zuverlaͤßig auch den menſchenfreundlichſten Landesherrn Tyrann heißen, und ſich ſein Joch abſchuͤtteln, ſo ſanft, ſo wohlmeynend es iſt. Dagegen wuͤrde der Menſch den groͤßten Ty- rannen ertragen, wenn er ihm nur hie und da im freyen ließe. Monarchen, die Religions-
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aber denken, daß der Menſch wieder zuruͤck-
kommen werde, und zwar aus Grundſaͤtzen
zuruͤckkommen werde, wo er ausgieng, daß
zuletzt wieder die Welt ein Paradies ſeyn und
jeder Mann, Adam, und jedes Weib ſeine
Ribbe ſeyn werde. Das tauſendjaͤhrige
Reich, wovon ſo viele traͤumen, liegt ſehr
verworren in dieſem Gedanken, ſehr verwor-
ren! kein Stein auf dem andern. Meine
Beruhigung iſt, daß alles, was moͤglich iſt,
auch wuͤrklich ſey oder werde. Warum waͤr’
es ſonſt moͤglich? Die Gelehrten haben ſich
oft geſtritten, ob der Menſch geſellig, oder
ungeſellig ſey? So oft die Gelehrten ſich
gleich vergebens geſtritten; ſo iſt doch dieſe
Frage keine vergebliche. Jeder Menſch ſucht
ſelbſt im Staat ſich zu befreyen. Es iſt ſeine
Herzensluſt, wenn er ſich nur einigermaaßen
in Freyheit ſetzen kann. Jeder kluge Geſetz-
geber muß gewiſſe Faͤlle dem Menſchen an-
heimſtellen, wo er frey ſeyn kann; ſonſt wuͤrde
er zuverlaͤßig auch den menſchenfreundlichſten
Landesherrn Tyrann heißen, und ſich ſein Joch
abſchuͤtteln, ſo ſanft, ſo wohlmeynend es iſt.
Dagegen wuͤrde der Menſch den groͤßten Ty-
rannen ertragen, wenn er ihm nur hie und da
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/191>, abgerufen am 24.11.2024.
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