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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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meine Mann zu mehrern Kenntnissen käme,
als er jezt hat. Das Reich der Herrlichkeit
wäre jenes Reich der Möglichkeit, wo wir al-
les um Gottes willen thäten! -- wo! --

War es Wunder, um wieder auf den er-
sten Adam zu kommen, war es Wunder, daß
die Natur ihm sowohl anstand? Adam kam
aus den Händen des Schöpfers. Er war die
Blüthe des Naturstandes. Zu Früchten kam
es mit ihm nicht. Er fiel als Blüthe ab.
Schade! Er war allein und durfte sich vor
keinem fürchten, und konnte jede Creatur
durch Vernunft beherrschen.

Man kann sich einzelne Menschen denken
ohne Gesetze, ohne Zäune, wie Götter auf
Erden unter einander herumwandeln. Die
Welt ist groß für alle. Niemand darf dem
andern vorbauen, zu solch einem Stande hat
Gott den Menschen angelegt; allein dem
Menschen fiel das Mein und Dein ein, wovon
er erst nicht wußte, jezt wird sein Stand ein
wahrer Stand der Sünden, wissentlicher und
unwissentlicher Schwachheits- und Bosheits-
sünden. Diese Erde, diese Menschenwelt,
das leugnet niemand, ist jezt noch in der Kind-
heit, hie und da ein Kopf. Eine Schwalbe
aber macht keinen Sommer. Ich kann mir

aber

meine Mann zu mehrern Kenntniſſen kaͤme,
als er jezt hat. Das Reich der Herrlichkeit
waͤre jenes Reich der Moͤglichkeit, wo wir al-
les um Gottes willen thaͤten! — wo! —

War es Wunder, um wieder auf den er-
ſten Adam zu kommen, war es Wunder, daß
die Natur ihm ſowohl anſtand? Adam kam
aus den Haͤnden des Schoͤpfers. Er war die
Bluͤthe des Naturſtandes. Zu Fruͤchten kam
es mit ihm nicht. Er fiel als Bluͤthe ab.
Schade! Er war allein und durfte ſich vor
keinem fuͤrchten, und konnte jede Creatur
durch Vernunft beherrſchen.

Man kann ſich einzelne Menſchen denken
ohne Geſetze, ohne Zaͤune, wie Goͤtter auf
Erden unter einander herumwandeln. Die
Welt iſt groß fuͤr alle. Niemand darf dem
andern vorbauen, zu ſolch einem Stande hat
Gott den Menſchen angelegt; allein dem
Menſchen fiel das Mein und Dein ein, wovon
er erſt nicht wußte, jezt wird ſein Stand ein
wahrer Stand der Suͤnden, wiſſentlicher und
unwiſſentlicher Schwachheits- und Bosheits-
ſuͤnden. Dieſe Erde, dieſe Menſchenwelt,
das leugnet niemand, iſt jezt noch in der Kind-
heit, hie und da ein Kopf. Eine Schwalbe
aber macht keinen Sommer. Ich kann mir

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[184/0190] meine Mann zu mehrern Kenntniſſen kaͤme, als er jezt hat. Das Reich der Herrlichkeit waͤre jenes Reich der Moͤglichkeit, wo wir al- les um Gottes willen thaͤten! — wo! — War es Wunder, um wieder auf den er- ſten Adam zu kommen, war es Wunder, daß die Natur ihm ſowohl anſtand? Adam kam aus den Haͤnden des Schoͤpfers. Er war die Bluͤthe des Naturſtandes. Zu Fruͤchten kam es mit ihm nicht. Er fiel als Bluͤthe ab. Schade! Er war allein und durfte ſich vor keinem fuͤrchten, und konnte jede Creatur durch Vernunft beherrſchen. Man kann ſich einzelne Menſchen denken ohne Geſetze, ohne Zaͤune, wie Goͤtter auf Erden unter einander herumwandeln. Die Welt iſt groß fuͤr alle. Niemand darf dem andern vorbauen, zu ſolch einem Stande hat Gott den Menſchen angelegt; allein dem Menſchen fiel das Mein und Dein ein, wovon er erſt nicht wußte, jezt wird ſein Stand ein wahrer Stand der Suͤnden, wiſſentlicher und unwiſſentlicher Schwachheits- und Bosheits- ſuͤnden. Dieſe Erde, dieſe Menſchenwelt, das leugnet niemand, iſt jezt noch in der Kind- heit, hie und da ein Kopf. Eine Schwalbe aber macht keinen Sommer. Ich kann mir aber

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/190>, abgerufen am 24.11.2024.