wie er sagte, ihn nicht breitschlagen oder zum besten haben wollen. Mein Vater hatte ihm einige Stellen aus den Alten verdeutschet, und Herr v. G -- war so gütig, sie ein Brennglas zu nennen, wodurch wir die Sonne an die Pfeife zögen. Er liebte nicht, mit Schrift- stellern umzugehen. Die sich frisch und ge- sund lesen lassen, sagte er, sind, wie ich gehört habe, stockstill in Gesellschaft -- Man sage ein Hephata nach dem andern, die Zunge wird nicht los. Herr v. G -- selbst war, ehe er schrieb, noch schwieriger, wie mein Vater, hatt' er indessen die Feder einmahl ergriffen; giengs, seinem eigenen Ausdruck zu folge, wie aus der Pistole. Er strich so wenig, wie meine Mutter, und nie hatt' er ein Blatt zer- rissen, um es besser zu schreiben. Warum soll ich mich mit mir selbst schlagen? warum mich selbst herausfordern? Ich bin sehr für den Hausfrieden, das ist, für den mit mir selbst. Nie macht' er ein Couvert. Am lieb- sten schrieb er auf unbeschnittenem Papier. Gemeinhin schrieb er mit umgekehrter Feder. Kehrt man denn nicht, sagt' er, den Hut um, wenn die Sonne scheint? Die Ursache war, weil er nicht gern Federn schneiden mochte, und da meynt' ers denn so ehrlich mit jeder
neuen
L 3
wie er ſagte, ihn nicht breitſchlagen oder zum beſten haben wollen. Mein Vater hatte ihm einige Stellen aus den Alten verdeutſchet, und Herr v. G — war ſo guͤtig, ſie ein Brennglas zu nennen, wodurch wir die Sonne an die Pfeife zoͤgen. Er liebte nicht, mit Schrift- ſtellern umzugehen. Die ſich friſch und ge- ſund leſen laſſen, ſagte er, ſind, wie ich gehoͤrt habe, ſtockſtill in Geſellſchaft — Man ſage ein Hephata nach dem andern, die Zunge wird nicht los. Herr v. G — ſelbſt war, ehe er ſchrieb, noch ſchwieriger, wie mein Vater, hatt’ er indeſſen die Feder einmahl ergriffen; giengs, ſeinem eigenen Ausdruck zu folge, wie aus der Piſtole. Er ſtrich ſo wenig, wie meine Mutter, und nie hatt’ er ein Blatt zer- riſſen, um es beſſer zu ſchreiben. Warum ſoll ich mich mit mir ſelbſt ſchlagen? warum mich ſelbſt herausfordern? Ich bin ſehr fuͤr den Hausfrieden, das iſt, fuͤr den mit mir ſelbſt. Nie macht’ er ein Couvert. Am lieb- ſten ſchrieb er auf unbeſchnittenem Papier. Gemeinhin ſchrieb er mit umgekehrter Feder. Kehrt man denn nicht, ſagt’ er, den Hut um, wenn die Sonne ſcheint? Die Urſache war, weil er nicht gern Federn ſchneiden mochte, und da meynt’ ers denn ſo ehrlich mit jeder
neuen
L 3
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0171"n="165"/>
wie er ſagte, ihn nicht breitſchlagen oder zum<lb/>
beſten haben wollen. Mein Vater hatte ihm<lb/>
einige Stellen aus den Alten verdeutſchet, und<lb/>
Herr v. G — war ſo guͤtig, ſie ein Brennglas<lb/>
zu nennen, wodurch wir die Sonne an die<lb/>
Pfeife zoͤgen. Er liebte nicht, mit Schrift-<lb/>ſtellern umzugehen. Die ſich friſch und ge-<lb/>ſund leſen laſſen, ſagte er, ſind, wie ich gehoͤrt<lb/>
habe, ſtockſtill in Geſellſchaft — Man ſage<lb/>
ein Hephata nach dem andern, die Zunge wird<lb/>
nicht los. Herr v. G —ſelbſt war, ehe er<lb/>ſchrieb, noch ſchwieriger, wie mein Vater,<lb/>
hatt’ er indeſſen die Feder einmahl ergriffen;<lb/>
giengs, ſeinem eigenen Ausdruck zu folge,<lb/>
wie aus der Piſtole. Er ſtrich ſo wenig, wie<lb/>
meine Mutter, und nie hatt’ er ein Blatt zer-<lb/>
riſſen, um es beſſer zu ſchreiben. Warum<lb/>ſoll ich mich mit mir ſelbſt ſchlagen? warum<lb/>
mich ſelbſt herausfordern? Ich bin ſehr fuͤr<lb/>
den Hausfrieden, das iſt, fuͤr den mit mir<lb/>ſelbſt. Nie macht’ er ein Couvert. Am lieb-<lb/>ſten ſchrieb er auf unbeſchnittenem Papier.<lb/>
Gemeinhin ſchrieb er mit umgekehrter Feder.<lb/>
Kehrt man denn nicht, ſagt’ er, den Hut um,<lb/>
wenn die Sonne ſcheint? Die Urſache war,<lb/>
weil er nicht gern Federn ſchneiden mochte,<lb/>
und da meynt’ ers denn ſo ehrlich mit jeder<lb/><fwplace="bottom"type="sig">L 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">neuen</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[165/0171]
wie er ſagte, ihn nicht breitſchlagen oder zum
beſten haben wollen. Mein Vater hatte ihm
einige Stellen aus den Alten verdeutſchet, und
Herr v. G — war ſo guͤtig, ſie ein Brennglas
zu nennen, wodurch wir die Sonne an die
Pfeife zoͤgen. Er liebte nicht, mit Schrift-
ſtellern umzugehen. Die ſich friſch und ge-
ſund leſen laſſen, ſagte er, ſind, wie ich gehoͤrt
habe, ſtockſtill in Geſellſchaft — Man ſage
ein Hephata nach dem andern, die Zunge wird
nicht los. Herr v. G — ſelbſt war, ehe er
ſchrieb, noch ſchwieriger, wie mein Vater,
hatt’ er indeſſen die Feder einmahl ergriffen;
giengs, ſeinem eigenen Ausdruck zu folge,
wie aus der Piſtole. Er ſtrich ſo wenig, wie
meine Mutter, und nie hatt’ er ein Blatt zer-
riſſen, um es beſſer zu ſchreiben. Warum
ſoll ich mich mit mir ſelbſt ſchlagen? warum
mich ſelbſt herausfordern? Ich bin ſehr fuͤr
den Hausfrieden, das iſt, fuͤr den mit mir
ſelbſt. Nie macht’ er ein Couvert. Am lieb-
ſten ſchrieb er auf unbeſchnittenem Papier.
Gemeinhin ſchrieb er mit umgekehrter Feder.
Kehrt man denn nicht, ſagt’ er, den Hut um,
wenn die Sonne ſcheint? Die Urſache war,
weil er nicht gern Federn ſchneiden mochte,
und da meynt’ ers denn ſo ehrlich mit jeder
neuen
L 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/171>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.