Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

wie ers seit einiger Zeit öfters zu thun
die gütige Gewohnheit hatte, sondern
zu unserm Gotteshaufe! Er wolte un-
sern frommen Uebungen beywohnen,
ohne daß ichs zuvor wußte. Ich sprach
ihn nicht, ich begrüßte ihn! allein von
weiten und siehe da! noch ehe ich meine
Predigt anfieng, hatte er seinen Lauf
vollendet. Noch ehe ich Ja sagte, war
er beym Amen. Er starb, wie ihr alle
wisset, in den lezten Worten des christ-
lichen Glaubens:

nach diesem Elend
ist uns bereit
dort ein Leben in Ewigkeit.

Unvergeßlich wird mir jedes Wort die-
ses Umstandes seyn, so wie dieser Mann
es einem jeden seyn muß, der ihn ge-
kannt hat! -- Er besuchte selten die Kir-
chen und mußte in einer Kirche sterben!
Ich sahe den Aufstand, der unsers Vol-
lendeten halber entstand; allein ich hielt
seinen Zufall für einen solchen, der bey
weitem nicht der letzte wäre.

Welch eine Kluft zwischen Gottes
und unsern Gedanken! Dein Wille, un-
ser Vater! dein Wille ist geschehen
--

Er

wie ers ſeit einiger Zeit oͤfters zu thun
die guͤtige Gewohnheit hatte, ſondern
zu unſerm Gotteshaufe! Er wolte un-
ſern frommen Uebungen beywohnen,
ohne daß ichs zuvor wußte. Ich ſprach
ihn nicht, ich begruͤßte ihn! allein von
weiten und ſiehe da! noch ehe ich meine
Predigt anfieng, hatte er ſeinen Lauf
vollendet. Noch ehe ich Ja ſagte, war
er beym Amen. Er ſtarb, wie ihr alle
wiſſet, in den lezten Worten des chriſt-
lichen Glaubens:

nach dieſem Elend
iſt uns bereit
dort ein Leben in Ewigkeit.

Unvergeßlich wird mir jedes Wort die-
ſes Umſtandes ſeyn, ſo wie dieſer Mann
es einem jeden ſeyn muß, der ihn ge-
kannt hat! — Er beſuchte ſelten die Kir-
chen und mußte in einer Kirche ſterben!
Ich ſahe den Aufſtand, der unſers Vol-
lendeten halber entſtand; allein ich hielt
ſeinen Zufall fuͤr einen ſolchen, der bey
weitem nicht der letzte waͤre.

Welch eine Kluft zwiſchen Gottes
und unſern Gedanken! Dein Wille, un-
ſer Vater! dein Wille iſt geſchehen

Er
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p>
          <pb facs="#f0163" n="157"/> <hi rendition="#fr">wie ers &#x017F;eit einiger Zeit o&#x0364;fters zu thun<lb/>
die gu&#x0364;tige Gewohnheit hatte, &#x017F;ondern<lb/>
zu un&#x017F;erm Gotteshaufe! Er wolte un-<lb/>
&#x017F;ern frommen Uebungen beywohnen,<lb/>
ohne daß ichs zuvor wußte. Ich &#x017F;prach<lb/>
ihn nicht, ich begru&#x0364;ßte ihn! allein von<lb/>
weiten und &#x017F;iehe da! noch ehe ich meine<lb/>
Predigt anfieng, hatte er &#x017F;einen Lauf<lb/>
vollendet. Noch ehe ich Ja &#x017F;agte, war<lb/>
er beym Amen. Er &#x017F;tarb, wie ihr alle<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;et, in den lezten Worten des chri&#x017F;t-<lb/>
lichen Glaubens:</hi> </p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l> <hi rendition="#fr">nach die&#x017F;em Elend</hi> </l><lb/>
          <l> <hi rendition="#fr">i&#x017F;t uns bereit</hi> </l><lb/>
          <l> <hi rendition="#fr">dort ein Leben in Ewigkeit.</hi> </l>
        </lg><lb/>
        <p> <hi rendition="#fr">Unvergeßlich wird mir jedes Wort die-<lb/>
&#x017F;es Um&#x017F;tandes &#x017F;eyn, &#x017F;o wie die&#x017F;er Mann<lb/>
es einem jeden &#x017F;eyn muß, der ihn ge-<lb/>
kannt hat! &#x2014; Er be&#x017F;uchte &#x017F;elten die Kir-<lb/>
chen und mußte in einer Kirche &#x017F;terben!<lb/>
Ich &#x017F;ahe den Auf&#x017F;tand, der un&#x017F;ers Vol-<lb/>
lendeten halber ent&#x017F;tand; allein ich hielt<lb/>
&#x017F;einen Zufall fu&#x0364;r einen &#x017F;olchen, der bey<lb/>
weitem nicht der letzte wa&#x0364;re.</hi> </p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Welch eine Kluft zwi&#x017F;chen Gottes<lb/>
und un&#x017F;ern Gedanken! Dein Wille, un-<lb/>
&#x017F;er Vater! dein Wille i&#x017F;t ge&#x017F;chehen</hi> &#x2014;</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#g"> <hi rendition="#fr">Er</hi> </hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[157/0163] wie ers ſeit einiger Zeit oͤfters zu thun die guͤtige Gewohnheit hatte, ſondern zu unſerm Gotteshaufe! Er wolte un- ſern frommen Uebungen beywohnen, ohne daß ichs zuvor wußte. Ich ſprach ihn nicht, ich begruͤßte ihn! allein von weiten und ſiehe da! noch ehe ich meine Predigt anfieng, hatte er ſeinen Lauf vollendet. Noch ehe ich Ja ſagte, war er beym Amen. Er ſtarb, wie ihr alle wiſſet, in den lezten Worten des chriſt- lichen Glaubens: nach dieſem Elend iſt uns bereit dort ein Leben in Ewigkeit. Unvergeßlich wird mir jedes Wort die- ſes Umſtandes ſeyn, ſo wie dieſer Mann es einem jeden ſeyn muß, der ihn ge- kannt hat! — Er beſuchte ſelten die Kir- chen und mußte in einer Kirche ſterben! Ich ſahe den Aufſtand, der unſers Vol- lendeten halber entſtand; allein ich hielt ſeinen Zufall fuͤr einen ſolchen, der bey weitem nicht der letzte waͤre. Welch eine Kluft zwiſchen Gottes und unſern Gedanken! Dein Wille, un- ſer Vater! dein Wille iſt geſchehen — Er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/163
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/163>, abgerufen am 27.11.2024.