Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

in Caiphas Hause, seinen Meister verrathen,
herausgieng und weinte bitterlich. -- Meine
Mutter pflegte den Apostel Paulus einen No-
tarius des letzten Testaments zu heißen. Ich
habe es von dem Herrn empfangen, das ich
euch gegeben habe, denn der Herr Jesus in
der Nacht da er verrathen ward, nahm er das
Brodt -- -- Kann was rührenderes seyn, als
dieses Gedächtnismahl! -- Verachtet man
doch eines Menschen Testament nicht, sagt
Paulus den Galatern, pflegte meine Mutter
zu bemerken und schüttelte sonst das Haupt,
weil im Tredo nichts vom Sacrament des
Altars steht. Jezt dachte sie zwar, da sie sich
selbst mit den Mennonisten vertragen, hieran
nicht; indessen konnte die Rührung nicht hö-
her seyn, als die meine Mutter zeigte. Jo-
hannes der Jünger, den Christus liebte, com-
municirte so an seinem Busen. Gott thut
was überschwengliches im Nachtmahl an sei-
nen Gästen, pflegte meine Mutter zu sagen,
und wie sehr war es an ihr sichtbar, daß sie
auf den Geist gesäet. Wer auf sein Fleisch
säet, der wird von dem Fleische das Verder-
ben erndten, wer auf den Geist säet, der wird
von dem Geiste das ewige Leben erndten, und
wie viel nach dieser Regel einhergehen, über

die

in Caiphas Hauſe, ſeinen Meiſter verrathen,
herausgieng und weinte bitterlich. — Meine
Mutter pflegte den Apoſtel Paulus einen No-
tarius des letzten Teſtaments zu heißen. Ich
habe es von dem Herrn empfangen, das ich
euch gegeben habe, denn der Herr Jeſus in
der Nacht da er verrathen ward, nahm er das
Brodt — — Kann was ruͤhrenderes ſeyn, als
dieſes Gedaͤchtnismahl! — Verachtet man
doch eines Menſchen Teſtament nicht, ſagt
Paulus den Galatern, pflegte meine Mutter
zu bemerken und ſchuͤttelte ſonſt das Haupt,
weil im Tredo nichts vom Sacrament des
Altars ſteht. Jezt dachte ſie zwar, da ſie ſich
ſelbſt mit den Mennoniſten vertragen, hieran
nicht; indeſſen konnte die Ruͤhrung nicht hoͤ-
her ſeyn, als die meine Mutter zeigte. Jo-
hannes der Juͤnger, den Chriſtus liebte, com-
municirte ſo an ſeinem Buſen. Gott thut
was uͤberſchwengliches im Nachtmahl an ſei-
nen Gaͤſten, pflegte meine Mutter zu ſagen,
und wie ſehr war es an ihr ſichtbar, daß ſie
auf den Geiſt geſaͤet. Wer auf ſein Fleiſch
ſaͤet, der wird von dem Fleiſche das Verder-
ben erndten, wer auf den Geiſt ſaͤet, der wird
von dem Geiſte das ewige Leben erndten, und
wie viel nach dieſer Regel einhergehen, uͤber

die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0110" n="104"/>
in Caiphas Hau&#x017F;e, &#x017F;einen Mei&#x017F;ter verrathen,<lb/>
herausgieng und weinte bitterlich. &#x2014; Meine<lb/>
Mutter pflegte den Apo&#x017F;tel Paulus einen No-<lb/>
tarius des letzten Te&#x017F;taments zu heißen. Ich<lb/>
habe es von dem Herrn empfangen, das ich<lb/>
euch gegeben habe, denn der Herr Je&#x017F;us in<lb/>
der Nacht da er verrathen ward, nahm er das<lb/>
Brodt &#x2014; &#x2014; Kann was ru&#x0364;hrenderes &#x017F;eyn, als<lb/>
die&#x017F;es Geda&#x0364;chtnismahl! &#x2014; Verachtet man<lb/>
doch eines Men&#x017F;chen Te&#x017F;tament nicht, &#x017F;agt<lb/>
Paulus den Galatern, pflegte meine Mutter<lb/>
zu bemerken und &#x017F;chu&#x0364;ttelte &#x017F;on&#x017F;t das Haupt,<lb/>
weil im <hi rendition="#fr">Tredo</hi> nichts vom Sacrament des<lb/>
Altars &#x017F;teht. Jezt dachte &#x017F;ie zwar, da &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t mit den Mennoni&#x017F;ten vertragen, hieran<lb/>
nicht; inde&#x017F;&#x017F;en konnte die Ru&#x0364;hrung nicht ho&#x0364;-<lb/>
her &#x017F;eyn, als die meine Mutter zeigte. Jo-<lb/>
hannes der Ju&#x0364;nger, den Chri&#x017F;tus liebte, com-<lb/>
municirte &#x017F;o an &#x017F;einem Bu&#x017F;en. Gott thut<lb/>
was u&#x0364;ber&#x017F;chwengliches im Nachtmahl an &#x017F;ei-<lb/>
nen Ga&#x0364;&#x017F;ten, pflegte meine Mutter zu &#x017F;agen,<lb/>
und wie &#x017F;ehr war es an ihr &#x017F;ichtbar, daß &#x017F;ie<lb/>
auf den Gei&#x017F;t ge&#x017F;a&#x0364;et. Wer auf &#x017F;ein Flei&#x017F;ch<lb/>
&#x017F;a&#x0364;et, der wird von dem Flei&#x017F;che das Verder-<lb/>
ben erndten, wer auf den Gei&#x017F;t &#x017F;a&#x0364;et, der wird<lb/>
von dem Gei&#x017F;te das ewige Leben erndten, und<lb/>
wie viel nach die&#x017F;er Regel einhergehen, u&#x0364;ber<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">die</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[104/0110] in Caiphas Hauſe, ſeinen Meiſter verrathen, herausgieng und weinte bitterlich. — Meine Mutter pflegte den Apoſtel Paulus einen No- tarius des letzten Teſtaments zu heißen. Ich habe es von dem Herrn empfangen, das ich euch gegeben habe, denn der Herr Jeſus in der Nacht da er verrathen ward, nahm er das Brodt — — Kann was ruͤhrenderes ſeyn, als dieſes Gedaͤchtnismahl! — Verachtet man doch eines Menſchen Teſtament nicht, ſagt Paulus den Galatern, pflegte meine Mutter zu bemerken und ſchuͤttelte ſonſt das Haupt, weil im Tredo nichts vom Sacrament des Altars ſteht. Jezt dachte ſie zwar, da ſie ſich ſelbſt mit den Mennoniſten vertragen, hieran nicht; indeſſen konnte die Ruͤhrung nicht hoͤ- her ſeyn, als die meine Mutter zeigte. Jo- hannes der Juͤnger, den Chriſtus liebte, com- municirte ſo an ſeinem Buſen. Gott thut was uͤberſchwengliches im Nachtmahl an ſei- nen Gaͤſten, pflegte meine Mutter zu ſagen, und wie ſehr war es an ihr ſichtbar, daß ſie auf den Geiſt geſaͤet. Wer auf ſein Fleiſch ſaͤet, der wird von dem Fleiſche das Verder- ben erndten, wer auf den Geiſt ſaͤet, der wird von dem Geiſte das ewige Leben erndten, und wie viel nach dieſer Regel einhergehen, uͤber die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/110
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/110>, abgerufen am 23.11.2024.