gierde, keine Kinderfrage finden. Solch ein Weib! wie schön, selbst im Tode! Alles ist neues Testament, alles ist Erfüllung in ihrem glänzenden Angesicht! Nichts Prophezey- hung, nichts Vorbild, nichts Verheißung. Jener alte Mannskopf ihr gleich! O Gott, wär' ich doch einst auch so todt, wie die bey- den! Da ist auch nicht ein einziger Zug, der nicht wünschenswerth wäre! Nicht einer! So schöne Köpfe würde man Mühe haben, im Le- ben zu finden. -- Der Graf erzählte uns beyder Sterbensläufe. Sie wären gern, wie er sagte, herzlich gern gestorben, und hätten die Kräfte der zukünftigen Welt so gewaltig gefühlt, daß sie mehr dort, als hier gewesen. Ueberdrus der Welt ist Vortodt, bemerkte der Graf. Es ist ein gut Hausmittel, die Bitter- keit des Todes zu vertreiben. Wer aber so gleich gerade zu stirbt, so einen klaren reinen Tod ohn' alle Ingredienzien! O schön! rief der Graf aus. -- Ein auszehrendes Fieber lösete die beyden Köpfe auf. Ihr Geist lag nicht an der Auszehrung, feyerlich, sagte der Graf, so mit Verstand und allen fünf Sin- nen, giengen sie aus der Welt, so daß nur ein Thor, wie der Graf sich Etwas zu hart aus- druckte, sagen könnte: Sie wären gestorben.
Freun-
F 5
gierde, keine Kinderfrage finden. Solch ein Weib! wie ſchoͤn, ſelbſt im Tode! Alles iſt neues Teſtament, alles iſt Erfuͤllung in ihrem glaͤnzenden Angeſicht! Nichts Prophezey- hung, nichts Vorbild, nichts Verheißung. Jener alte Mannskopf ihr gleich! O Gott, waͤr’ ich doch einſt auch ſo todt, wie die bey- den! Da iſt auch nicht ein einziger Zug, der nicht wuͤnſchenswerth waͤre! Nicht einer! So ſchoͤne Koͤpfe wuͤrde man Muͤhe haben, im Le- ben zu finden. — Der Graf erzaͤhlte uns beyder Sterbenslaͤufe. Sie waͤren gern, wie er ſagte, herzlich gern geſtorben, und haͤtten die Kraͤfte der zukuͤnftigen Welt ſo gewaltig gefuͤhlt, daß ſie mehr dort, als hier geweſen. Ueberdrus der Welt iſt Vortodt, bemerkte der Graf. Es iſt ein gut Hausmittel, die Bitter- keit des Todes zu vertreiben. Wer aber ſo gleich gerade zu ſtirbt, ſo einen klaren reinen Tod ohn’ alle Ingredienzien! O ſchoͤn! rief der Graf aus. — Ein auszehrendes Fieber loͤſete die beyden Koͤpfe auf. Ihr Geiſt lag nicht an der Auszehrung, feyerlich, ſagte der Graf, ſo mit Verſtand und allen fuͤnf Sin- nen, giengen ſie aus der Welt, ſo daß nur ein Thor, wie der Graf ſich Etwas zu hart aus- druckte, ſagen koͤnnte: Sie waͤren geſtorben.
Freun-
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gierde, keine Kinderfrage finden. Solch ein
Weib! wie ſchoͤn, ſelbſt im Tode! Alles iſt
neues Teſtament, alles iſt Erfuͤllung in ihrem
glaͤnzenden Angeſicht! Nichts Prophezey-
hung, nichts Vorbild, nichts Verheißung.
Jener alte Mannskopf ihr gleich! O Gott,
waͤr’ ich doch einſt auch ſo todt, wie die bey-
den! Da iſt auch nicht ein einziger Zug, der
nicht wuͤnſchenswerth waͤre! Nicht einer! So
ſchoͤne Koͤpfe wuͤrde man Muͤhe haben, im Le-
ben zu finden. — Der Graf erzaͤhlte uns
beyder Sterbenslaͤufe. Sie waͤren gern, wie
er ſagte, herzlich gern geſtorben, und haͤtten
die Kraͤfte der zukuͤnftigen Welt ſo gewaltig
gefuͤhlt, daß ſie mehr dort, als hier geweſen.
Ueberdrus der Welt iſt Vortodt, bemerkte der
Graf. Es iſt ein gut Hausmittel, die Bitter-
keit des Todes zu vertreiben. Wer aber ſo
gleich gerade zu ſtirbt, ſo einen klaren reinen
Tod ohn’ alle Ingredienzien! O ſchoͤn! rief
der Graf aus. — Ein auszehrendes Fieber
loͤſete die beyden Koͤpfe auf. Ihr Geiſt lag
nicht an der Auszehrung, feyerlich, ſagte der
Graf, ſo mit Verſtand und allen fuͤnf Sin-
nen, giengen ſie aus der Welt, ſo daß nur ein
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/95>, abgerufen am 23.11.2024.
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