Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Wer von Gottes Mund spricht, thut Etwas sehr
gewönliches; wer aber nur die Helfte von Got-
tes Nase spräche, und von seiner Stirn, und
von seinen Beinen, würde Gott danken können,
wenn man ihn nicht für eine Art von Gottes-
lästerer hielte, warum das?

Gott, der nicht zu sehen ist, wird nur in
unsern Brüdern beleidigt, die zu sehen sind,
und in uns selbst, die wir auch sein Othem
sind. Hier indeßen, welch ein Feld zu Ver-
brechen! -- -- Wir wollen annehmen, daß
Selbstsünden auch Selbststrafen nach sich zö-
gen; (Sünde, den Tod) ists aber darum
gut gemacht? Wäre dies, so wäre jeder Selbst-
mörder seelig, ohne Streitschrift, weil er das
Leben eingebüßt hat, nicht also? Wer sich
zum Arbeiter im göttlichen Weinberge, zur
Weltarbeit untauglich macht, wer nicht treu
und fleißig mit den Gaben umgeht, die er
empfangen hat, verdient nicht allein keinen
Taglohn, und Armuth und Mangel; sondern
er hat auch mit seinen Sünden noch andere
Strafen verdient. -- Und wer ist so unschul-
dig, daß er seinen Bruder nicht mit Gedanken,
Gebehrden, Worten und Werken, beleidiget
hätte?

Schön,
F 3

Wer von Gottes Mund ſpricht, thut Etwas ſehr
gewoͤnliches; wer aber nur die Helfte von Got-
tes Naſe ſpraͤche, und von ſeiner Stirn, und
von ſeinen Beinen, wuͤrde Gott danken koͤnnen,
wenn man ihn nicht fuͤr eine Art von Gottes-
laͤſterer hielte, warum das?

Gott, der nicht zu ſehen iſt, wird nur in
unſern Bruͤdern beleidigt, die zu ſehen ſind,
und in uns ſelbſt, die wir auch ſein Othem
ſind. Hier indeßen, welch ein Feld zu Ver-
brechen! — — Wir wollen annehmen, daß
Selbſtſuͤnden auch Selbſtſtrafen nach ſich zoͤ-
gen; (Suͤnde, den Tod) iſts aber darum
gut gemacht? Waͤre dies, ſo waͤre jeder Selbſt-
moͤrder ſeelig, ohne Streitſchrift, weil er das
Leben eingebuͤßt hat, nicht alſo? Wer ſich
zum Arbeiter im goͤttlichen Weinberge, zur
Weltarbeit untauglich macht, wer nicht treu
und fleißig mit den Gaben umgeht, die er
empfangen hat, verdient nicht allein keinen
Taglohn, und Armuth und Mangel; ſondern
er hat auch mit ſeinen Suͤnden noch andere
Strafen verdient. — Und wer iſt ſo unſchul-
dig, daß er ſeinen Bruder nicht mit Gedanken,
Gebehrden, Worten und Werken, beleidiget
haͤtte?

Schoͤn,
F 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0091" n="85"/>
Wer von Gottes Mund &#x017F;pricht, thut Etwas &#x017F;ehr<lb/>
gewo&#x0364;nliches; wer aber nur die Helfte von Got-<lb/>
tes Na&#x017F;e &#x017F;pra&#x0364;che, und von &#x017F;einer Stirn, und<lb/>
von &#x017F;einen Beinen, wu&#x0364;rde Gott danken ko&#x0364;nnen,<lb/>
wenn man ihn nicht fu&#x0364;r eine Art von Gottes-<lb/>
la&#x0364;&#x017F;terer hielte, warum das?</p><lb/>
        <p>Gott, der nicht zu &#x017F;ehen i&#x017F;t, wird nur in<lb/>
un&#x017F;ern Bru&#x0364;dern beleidigt, die zu &#x017F;ehen &#x017F;ind,<lb/>
und in uns &#x017F;elb&#x017F;t, die wir auch &#x017F;ein Othem<lb/>
&#x017F;ind. Hier indeßen, welch ein Feld zu Ver-<lb/>
brechen! &#x2014; &#x2014; Wir wollen annehmen, daß<lb/>
Selb&#x017F;t&#x017F;u&#x0364;nden auch Selb&#x017F;t&#x017F;trafen nach &#x017F;ich zo&#x0364;-<lb/>
gen; (Su&#x0364;nde, den Tod) i&#x017F;ts aber darum<lb/>
gut gemacht? Wa&#x0364;re dies, &#x017F;o wa&#x0364;re jeder Selb&#x017F;t-<lb/>
mo&#x0364;rder &#x017F;eelig, ohne Streit&#x017F;chrift, weil er das<lb/>
Leben eingebu&#x0364;ßt hat, nicht al&#x017F;o? Wer &#x017F;ich<lb/>
zum Arbeiter im go&#x0364;ttlichen Weinberge, zur<lb/>
Weltarbeit untauglich macht, wer nicht treu<lb/>
und fleißig mit den Gaben umgeht, die er<lb/>
empfangen hat, verdient nicht allein keinen<lb/>
Taglohn, und Armuth und Mangel; &#x017F;ondern<lb/>
er hat auch mit &#x017F;einen Su&#x0364;nden noch andere<lb/>
Strafen verdient. &#x2014; Und wer i&#x017F;t &#x017F;o un&#x017F;chul-<lb/>
dig, daß er &#x017F;einen Bruder nicht mit Gedanken,<lb/>
Gebehrden, Worten und Werken, beleidiget<lb/>
ha&#x0364;tte?</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">F 3</fw>
        <fw place="bottom" type="catch">Scho&#x0364;n,</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[85/0091] Wer von Gottes Mund ſpricht, thut Etwas ſehr gewoͤnliches; wer aber nur die Helfte von Got- tes Naſe ſpraͤche, und von ſeiner Stirn, und von ſeinen Beinen, wuͤrde Gott danken koͤnnen, wenn man ihn nicht fuͤr eine Art von Gottes- laͤſterer hielte, warum das? Gott, der nicht zu ſehen iſt, wird nur in unſern Bruͤdern beleidigt, die zu ſehen ſind, und in uns ſelbſt, die wir auch ſein Othem ſind. Hier indeßen, welch ein Feld zu Ver- brechen! — — Wir wollen annehmen, daß Selbſtſuͤnden auch Selbſtſtrafen nach ſich zoͤ- gen; (Suͤnde, den Tod) iſts aber darum gut gemacht? Waͤre dies, ſo waͤre jeder Selbſt- moͤrder ſeelig, ohne Streitſchrift, weil er das Leben eingebuͤßt hat, nicht alſo? Wer ſich zum Arbeiter im goͤttlichen Weinberge, zur Weltarbeit untauglich macht, wer nicht treu und fleißig mit den Gaben umgeht, die er empfangen hat, verdient nicht allein keinen Taglohn, und Armuth und Mangel; ſondern er hat auch mit ſeinen Suͤnden noch andere Strafen verdient. — Und wer iſt ſo unſchul- dig, daß er ſeinen Bruder nicht mit Gedanken, Gebehrden, Worten und Werken, beleidiget haͤtte? Schoͤn, F 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/91
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/91>, abgerufen am 27.11.2024.