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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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den Wasserbächen, nahm er von seinen Bür-
gern einen Eid, die Gesetze so lange in Ehren
und Würden zu laßen, bis er heim käme;
denn er müste wieder nach Delphos, und nun
reisete er nach Cirra, und bestätigte mit sei-
nem Tode seine Gesetze. -- Eine Parenthese.
Ist Lycurgus ein Selbstmörder, und jener
Patriot, der für sein Vaterland in ein war-
mes Todesbad gieng? Nein, sie sind Märty-
rer, und haben den nemlichen Zug im Gesicht,
als die, so aus Liebe zu einer Sache, damit
sie, die Sache, nicht stürbe, gestorben sind.
Ich komm' ab. Ich wolte sagen, Lycurgus
habe so ausgesehen, wie jeder Deist, der sich
ein Lebensbild aufschlägt, und dies ohne Auf-
hören ansieht. -- Die Seele selbst gewöhnt
ihr Auge dran.

Ueber die Christenköpfe überhaupt die An-
merkung: die Augen alle nicht ganz zu: Sie
wolten sehen, wo ihre durch Christum gehei-
ligte Leichnamme blieben. Sie wolten lau-
schen, (das thut man nur mit niedergeschla-
genen Augen) wohin die erlöste Seele citiret
worden, und also die Augen etwas offen. Die
Augen waren von andern zugedruckt; allein
die Thüren wolten nicht zu halten, sie waren
eingetrocknet. Die Christen hatten alle das

Haupt
F

den Waſſerbaͤchen, nahm er von ſeinen Buͤr-
gern einen Eid, die Geſetze ſo lange in Ehren
und Wuͤrden zu laßen, bis er heim kaͤme;
denn er muͤſte wieder nach Delphos, und nun
reiſete er nach Cirra, und beſtaͤtigte mit ſei-
nem Tode ſeine Geſetze. — Eine Parentheſe.
Iſt Lycurgus ein Selbſtmoͤrder, und jener
Patriot, der fuͤr ſein Vaterland in ein war-
mes Todesbad gieng? Nein, ſie ſind Maͤrty-
rer, und haben den nemlichen Zug im Geſicht,
als die, ſo aus Liebe zu einer Sache, damit
ſie, die Sache, nicht ſtuͤrbe, geſtorben ſind.
Ich komm’ ab. Ich wolte ſagen, Lycurgus
habe ſo ausgeſehen, wie jeder Deiſt, der ſich
ein Lebensbild aufſchlaͤgt, und dies ohne Auf-
hoͤren anſieht. — Die Seele ſelbſt gewoͤhnt
ihr Auge dran.

Ueber die Chriſtenkoͤpfe uͤberhaupt die An-
merkung: die Augen alle nicht ganz zu: Sie
wolten ſehen, wo ihre durch Chriſtum gehei-
ligte Leichnamme blieben. Sie wolten lau-
ſchen, (das thut man nur mit niedergeſchla-
genen Augen) wohin die erloͤſte Seele citiret
worden, und alſo die Augen etwas offen. Die
Augen waren von andern zugedruckt; allein
die Thuͤren wolten nicht zu halten, ſie waren
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[81/0087] den Waſſerbaͤchen, nahm er von ſeinen Buͤr- gern einen Eid, die Geſetze ſo lange in Ehren und Wuͤrden zu laßen, bis er heim kaͤme; denn er muͤſte wieder nach Delphos, und nun reiſete er nach Cirra, und beſtaͤtigte mit ſei- nem Tode ſeine Geſetze. — Eine Parentheſe. Iſt Lycurgus ein Selbſtmoͤrder, und jener Patriot, der fuͤr ſein Vaterland in ein war- mes Todesbad gieng? Nein, ſie ſind Maͤrty- rer, und haben den nemlichen Zug im Geſicht, als die, ſo aus Liebe zu einer Sache, damit ſie, die Sache, nicht ſtuͤrbe, geſtorben ſind. Ich komm’ ab. Ich wolte ſagen, Lycurgus habe ſo ausgeſehen, wie jeder Deiſt, der ſich ein Lebensbild aufſchlaͤgt, und dies ohne Auf- hoͤren anſieht. — Die Seele ſelbſt gewoͤhnt ihr Auge dran. Ueber die Chriſtenkoͤpfe uͤberhaupt die An- merkung: die Augen alle nicht ganz zu: Sie wolten ſehen, wo ihre durch Chriſtum gehei- ligte Leichnamme blieben. Sie wolten lau- ſchen, (das thut man nur mit niedergeſchla- genen Augen) wohin die erloͤſte Seele citiret worden, und alſo die Augen etwas offen. Die Augen waren von andern zugedruckt; allein die Thuͤren wolten nicht zu halten, ſie waren eingetrocknet. Die Chriſten hatten alle das Haupt F

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/87>, abgerufen am 23.11.2024.