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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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des zweyten Theils der Lebensläufe, da ich
den besondern Mann, den Herrn Grafen, am
dritten Ort zu präsentiren die Ehre hatte, zu-
gleich anbrachte, wie er sehr traurige Schick-
sale überlebt. Sieben Kinder, alle im Lenze
des Lebens, waren ihm gestorben. Dieses
Zimmer hies Familiencabinet, und war dem
Schatten dieser sieben Seligen, dieser sieben
Engel, die Gottes Angesicht sahen, gewidmet.
Lange stand der Graf an, ob er diese heilige
Seelenzahl verrücken, und ihnen noch die bey-
den Bräutigams der beyden als Bräute ge-
storbenen Töchter, und die Braut des als
Bräutigam gestorbenen Sohnes, zugesellen
sollte? Endlich Ja, weil seine Gemahlin
schon über sieben war. Die Zahl war also
schon verdorben. Dies Familiencabinet ent-
hielte diese liebe Todten, wie der Graf sie
nannte, von denen immer eins dem andern
die Hand gab, und eins nach dem andern an
den Reihen kam. Eines fordert das andere
zum Todtentanz, zum Grabesgang, auf.
Viel Einheit der Zeit, alles starb in Zeit von
drey Jahren. -- Ich kann eben nicht sagen,
daß in diesem Trauerspiel griechischer Ge-
schmack herrschte; indeßen war viel Manns-
und Väterwärme da, viel Empfindung. Es

waren

des zweyten Theils der Lebenslaͤufe, da ich
den beſondern Mann, den Herrn Grafen, am
dritten Ort zu praͤſentiren die Ehre hatte, zu-
gleich anbrachte, wie er ſehr traurige Schick-
ſale uͤberlebt. Sieben Kinder, alle im Lenze
des Lebens, waren ihm geſtorben. Dieſes
Zimmer hies Familiencabinet, und war dem
Schatten dieſer ſieben Seligen, dieſer ſieben
Engel, die Gottes Angeſicht ſahen, gewidmet.
Lange ſtand der Graf an, ob er dieſe heilige
Seelenzahl verruͤcken, und ihnen noch die bey-
den Braͤutigams der beyden als Braͤute ge-
ſtorbenen Toͤchter, und die Braut des als
Braͤutigam geſtorbenen Sohnes, zugeſellen
ſollte? Endlich Ja, weil ſeine Gemahlin
ſchon uͤber ſieben war. Die Zahl war alſo
ſchon verdorben. Dies Familiencabinet ent-
hielte dieſe liebe Todten, wie der Graf ſie
nannte, von denen immer eins dem andern
die Hand gab, und eins nach dem andern an
den Reihen kam. Eines fordert das andere
zum Todtentanz, zum Grabesgang, auf.
Viel Einheit der Zeit, alles ſtarb in Zeit von
drey Jahren. — Ich kann eben nicht ſagen,
daß in dieſem Trauerſpiel griechiſcher Ge-
ſchmack herrſchte; indeßen war viel Manns-
und Vaͤterwaͤrme da, viel Empfindung. Es

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[68/0074] des zweyten Theils der Lebenslaͤufe, da ich den beſondern Mann, den Herrn Grafen, am dritten Ort zu praͤſentiren die Ehre hatte, zu- gleich anbrachte, wie er ſehr traurige Schick- ſale uͤberlebt. Sieben Kinder, alle im Lenze des Lebens, waren ihm geſtorben. Dieſes Zimmer hies Familiencabinet, und war dem Schatten dieſer ſieben Seligen, dieſer ſieben Engel, die Gottes Angeſicht ſahen, gewidmet. Lange ſtand der Graf an, ob er dieſe heilige Seelenzahl verruͤcken, und ihnen noch die bey- den Braͤutigams der beyden als Braͤute ge- ſtorbenen Toͤchter, und die Braut des als Braͤutigam geſtorbenen Sohnes, zugeſellen ſollte? Endlich Ja, weil ſeine Gemahlin ſchon uͤber ſieben war. Die Zahl war alſo ſchon verdorben. Dies Familiencabinet ent- hielte dieſe liebe Todten, wie der Graf ſie nannte, von denen immer eins dem andern die Hand gab, und eins nach dem andern an den Reihen kam. Eines fordert das andere zum Todtentanz, zum Grabesgang, auf. Viel Einheit der Zeit, alles ſtarb in Zeit von drey Jahren. — Ich kann eben nicht ſagen, daß in dieſem Trauerſpiel griechiſcher Ge- ſchmack herrſchte; indeßen war viel Manns- und Vaͤterwaͤrme da, viel Empfindung. Es waren

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/74>, abgerufen am 23.11.2024.