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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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der kommt aus dem Text der Natur. -- Wie
selten find indeßen Exempel von Leuten, die
aus Schmerz sich ins Leben greifen, in ein
zweyschneidendes Schwert faßen: denn Leute,
die dem Tode recht ehrlich trotzen können, o!
die trotzen auch dem Leben.

Ey, wenn der Mensch alles vollendet hät-
te? Wenn ihm die Zeit mit Recht lang wür-
de? Alles vollendet, Lieber! alles! Wenn
wir gethan haben, was wir zu thun schuldig
waren, sind wir denn mehr, als unnütze
Knechte? Wer hat aber alles vollbracht?
Wem wird die Zeit auf eine weise Art zu
lange?

Jener Freygelaßene der Agrippina, der
sich bey dem Scheiterhaufen seiner Gönnerin
(um ihr Ehrenbette nicht zu beflecken) erstach.
Viel Erkenntlichkeit, wenn sie ihm blos Schuz-
göttin war! -- Doch solche Erkenntlichkeit
haben noch mehr bewiesen. Weiber, Freyge-
wordene, selbst Hunde und andere Thiere, die
sonst nicht so treu befunden werden!

Sehen und Hören, ich hab' es, glaub ich,
schon sonst wo gesagt, vertragen sich mit ein-
ander, wie Halbgeschwister. Ich gestehe es
sehr gern, viel, sehr viel von dem Gerede des
Grafen verlohren zu haben, und das ist Scha-

de!

der kommt aus dem Text der Natur. — Wie
ſelten find indeßen Exempel von Leuten, die
aus Schmerz ſich ins Leben greifen, in ein
zweyſchneidendes Schwert faßen: denn Leute,
die dem Tode recht ehrlich trotzen koͤnnen, o!
die trotzen auch dem Leben.

Ey, wenn der Menſch alles vollendet haͤt-
te? Wenn ihm die Zeit mit Recht lang wuͤr-
de? Alles vollendet, Lieber! alles! Wenn
wir gethan haben, was wir zu thun ſchuldig
waren, ſind wir denn mehr, als unnuͤtze
Knechte? Wer hat aber alles vollbracht?
Wem wird die Zeit auf eine weiſe Art zu
lange?

Jener Freygelaßene der Agrippina, der
ſich bey dem Scheiterhaufen ſeiner Goͤnnerin
(um ihr Ehrenbette nicht zu beflecken) erſtach.
Viel Erkenntlichkeit, wenn ſie ihm blos Schuz-
goͤttin war! — Doch ſolche Erkenntlichkeit
haben noch mehr bewieſen. Weiber, Freyge-
wordene, ſelbſt Hunde und andere Thiere, die
ſonſt nicht ſo treu befunden werden!

Sehen und Hoͤren, ich hab’ es, glaub ich,
ſchon ſonſt wo geſagt, vertragen ſich mit ein-
ander, wie Halbgeſchwiſter. Ich geſtehe es
ſehr gern, viel, ſehr viel von dem Gerede des
Grafen verlohren zu haben, und das iſt Scha-

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[66/0072] der kommt aus dem Text der Natur. — Wie ſelten find indeßen Exempel von Leuten, die aus Schmerz ſich ins Leben greifen, in ein zweyſchneidendes Schwert faßen: denn Leute, die dem Tode recht ehrlich trotzen koͤnnen, o! die trotzen auch dem Leben. Ey, wenn der Menſch alles vollendet haͤt- te? Wenn ihm die Zeit mit Recht lang wuͤr- de? Alles vollendet, Lieber! alles! Wenn wir gethan haben, was wir zu thun ſchuldig waren, ſind wir denn mehr, als unnuͤtze Knechte? Wer hat aber alles vollbracht? Wem wird die Zeit auf eine weiſe Art zu lange? Jener Freygelaßene der Agrippina, der ſich bey dem Scheiterhaufen ſeiner Goͤnnerin (um ihr Ehrenbette nicht zu beflecken) erſtach. Viel Erkenntlichkeit, wenn ſie ihm blos Schuz- goͤttin war! — Doch ſolche Erkenntlichkeit haben noch mehr bewieſen. Weiber, Freyge- wordene, ſelbſt Hunde und andere Thiere, die ſonſt nicht ſo treu befunden werden! Sehen und Hoͤren, ich hab’ es, glaub ich, ſchon ſonſt wo geſagt, vertragen ſich mit ein- ander, wie Halbgeſchwiſter. Ich geſtehe es ſehr gern, viel, ſehr viel von dem Gerede des Grafen verlohren zu haben, und das iſt Scha- de!

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/72>, abgerufen am 23.11.2024.