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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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derkunft der Guten und Bösen ein unauflöß-
liches Räthsel bleibt, giebt ihm dieser Gedan-
ke einige Ruhe -- und welch eine Seelenruhe,
wenn er mit ihnen, so wie er hier lebte, dort
wieder lebt. Da denkt denn der Reiche, er
werde unter seinen mit ihm zusammen gestor-
benen Schuldnern noch immer der Gläubiger
bleiben. Die Leute werden sich doch schämen,
ihn auf einem andern Fuß zu nehmen, da sie
ihm die Zinsen ohnedem acht Tage nach der
Verfallstunde berichtiget, welches aufs Jahr
schon etwas beträget. Da denkt der Herr,
wenn er mit seinen Bedienten zusammen stirbt,
die Menschen werden doch Lebensart verste-
hen. Ich, sagte der Graf, ich selbst möchte
mich nicht gern von meinem Bruder trennen.
Darum, fuhr er fort, sind uns neue Freund-
schaften so verhaßt, wenn wir in gewißen
Jahren sind, im Fall die Freundschaftspar-
theyen nicht jahregleich sind. -- Auf Ehre,
liebe Sterbenscandidaten und Candidatinnen!
wenn die Hohen und Reichen, die Augenlu-
stigen und die vom hoffärtigen Leben, wüsten,
wie wohl es in dieser Rücksicht sich im Ho-
spital sterben ließe, stürben viel drinn, die sich
jezo wohlbedächtig genügen, Geld unter diese
Armen auszuwerfen. Diese Armen besitzen oft

mehr,

derkunft der Guten und Boͤſen ein unaufloͤß-
liches Raͤthſel bleibt, giebt ihm dieſer Gedan-
ke einige Ruhe — und welch eine Seelenruhe,
wenn er mit ihnen, ſo wie er hier lebte, dort
wieder lebt. Da denkt denn der Reiche, er
werde unter ſeinen mit ihm zuſammen geſtor-
benen Schuldnern noch immer der Glaͤubiger
bleiben. Die Leute werden ſich doch ſchaͤmen,
ihn auf einem andern Fuß zu nehmen, da ſie
ihm die Zinſen ohnedem acht Tage nach der
Verfallſtunde berichtiget, welches aufs Jahr
ſchon etwas betraͤget. Da denkt der Herr,
wenn er mit ſeinen Bedienten zuſammen ſtirbt,
die Menſchen werden doch Lebensart verſte-
hen. Ich, ſagte der Graf, ich ſelbſt moͤchte
mich nicht gern von meinem Bruder trennen.
Darum, fuhr er fort, ſind uns neue Freund-
ſchaften ſo verhaßt, wenn wir in gewißen
Jahren ſind, im Fall die Freundſchaftspar-
theyen nicht jahregleich ſind. — Auf Ehre,
liebe Sterbenscandidaten und Candidatinnen!
wenn die Hohen und Reichen, die Augenlu-
ſtigen und die vom hoffaͤrtigen Leben, wuͤſten,
wie wohl es in dieſer Ruͤckſicht ſich im Ho-
ſpital ſterben ließe, ſtuͤrben viel drinn, die ſich
jezo wohlbedaͤchtig genuͤgen, Geld unter dieſe
Armen auszuwerfen. Dieſe Armen beſitzen oft

mehr,
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[63/0069] derkunft der Guten und Boͤſen ein unaufloͤß- liches Raͤthſel bleibt, giebt ihm dieſer Gedan- ke einige Ruhe — und welch eine Seelenruhe, wenn er mit ihnen, ſo wie er hier lebte, dort wieder lebt. Da denkt denn der Reiche, er werde unter ſeinen mit ihm zuſammen geſtor- benen Schuldnern noch immer der Glaͤubiger bleiben. Die Leute werden ſich doch ſchaͤmen, ihn auf einem andern Fuß zu nehmen, da ſie ihm die Zinſen ohnedem acht Tage nach der Verfallſtunde berichtiget, welches aufs Jahr ſchon etwas betraͤget. Da denkt der Herr, wenn er mit ſeinen Bedienten zuſammen ſtirbt, die Menſchen werden doch Lebensart verſte- hen. Ich, ſagte der Graf, ich ſelbſt moͤchte mich nicht gern von meinem Bruder trennen. Darum, fuhr er fort, ſind uns neue Freund- ſchaften ſo verhaßt, wenn wir in gewißen Jahren ſind, im Fall die Freundſchaftspar- theyen nicht jahregleich ſind. — Auf Ehre, liebe Sterbenscandidaten und Candidatinnen! wenn die Hohen und Reichen, die Augenlu- ſtigen und die vom hoffaͤrtigen Leben, wuͤſten, wie wohl es in dieſer Ruͤckſicht ſich im Ho- ſpital ſterben ließe, ſtuͤrben viel drinn, die ſich jezo wohlbedaͤchtig genuͤgen, Geld unter dieſe Armen auszuwerfen. Dieſe Armen beſitzen oft mehr,

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/69>, abgerufen am 23.11.2024.