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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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Herr, nun läßt du deinen Diener in
Friede fahren.
Einige Apostel als Märty-
rer sterbend. In ihren Gesichtern lagen die
Worte: leben wir, so leben wir dem Herrn,
sterben wir, so sterben wir dem Herrn, ob
wir leben oder sterben, sind wir des Herrn.
Hier stand auch in einem Behältniß, von ei-
nem eisernen Gegitter eingeschlossen, des Gra-
fen Sarg. Nührend war es mir anzuhören,
daß er alle Vierteljahr einmal drinn schlief.
Ich habe mich mit meinem Hause, sagt' er,
so bekannt gemacht, daß ich alles im Grif
habe -- Die erste Zeit schwitzt' ich, als hätt'
ich Bezoar-Pulver eingenommen; jetzt schlaf'
ich, ohne einen einzigen Schweistropfen, ru-
hig und sanft. Der Tod wird mir, das hof
ich, nicht unbereitet kommen. Der Wapen-
zierrath war mir bey diesem Sarge unaus-
stehlich. Es waren drey bemahlte Pfeiler in
der Capelle, Weisheit, Stärke, Schönheit,
Glaube, Liebe, Hofnung! drey Grazien --
drey Frauenzimmer, sagte der Graf, und
ich, "die Tugend selbst ist ein Frauenzimmer,
"das Laster ist eine Mannsperson." Ey!
schrie der Graf, Ey! der Prediger. Ich hatte
Mühe, die guten Herren zu überzeugen, daß
mein Vater wohl wüste, was er spräche. Man

muß
D 5

Herr, nun laͤßt du deinen Diener in
Friede fahren.
Einige Apoſtel als Maͤrty-
rer ſterbend. In ihren Geſichtern lagen die
Worte: leben wir, ſo leben wir dem Herrn,
ſterben wir, ſo ſterben wir dem Herrn, ob
wir leben oder ſterben, ſind wir des Herrn.
Hier ſtand auch in einem Behaͤltniß, von ei-
nem eiſernen Gegitter eingeſchloſſen, des Gra-
fen Sarg. Nuͤhrend war es mir anzuhoͤren,
daß er alle Vierteljahr einmal drinn ſchlief.
Ich habe mich mit meinem Hauſe, ſagt’ er,
ſo bekannt gemacht, daß ich alles im Grif
habe — Die erſte Zeit ſchwitzt’ ich, als haͤtt’
ich Bezoar-Pulver eingenommen; jetzt ſchlaf’
ich, ohne einen einzigen Schweistropfen, ru-
hig und ſanft. Der Tod wird mir, das hof
ich, nicht unbereitet kommen. Der Wapen-
zierrath war mir bey dieſem Sarge unaus-
ſtehlich. Es waren drey bemahlte Pfeiler in
der Capelle, Weisheit, Staͤrke, Schoͤnheit,
Glaube, Liebe, Hofnung! drey Grazien —
drey Frauenzimmer, ſagte der Graf, und
ich, „die Tugend ſelbſt iſt ein Frauenzimmer,
„das Laſter iſt eine Mannsperſon.“ Ey!
ſchrie der Graf, Ey! der Prediger. Ich hatte
Muͤhe, die guten Herren zu uͤberzeugen, daß
mein Vater wohl wuͤſte, was er ſpraͤche. Man

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[57/0063] Herr, nun laͤßt du deinen Diener in Friede fahren. Einige Apoſtel als Maͤrty- rer ſterbend. In ihren Geſichtern lagen die Worte: leben wir, ſo leben wir dem Herrn, ſterben wir, ſo ſterben wir dem Herrn, ob wir leben oder ſterben, ſind wir des Herrn. Hier ſtand auch in einem Behaͤltniß, von ei- nem eiſernen Gegitter eingeſchloſſen, des Gra- fen Sarg. Nuͤhrend war es mir anzuhoͤren, daß er alle Vierteljahr einmal drinn ſchlief. Ich habe mich mit meinem Hauſe, ſagt’ er, ſo bekannt gemacht, daß ich alles im Grif habe — Die erſte Zeit ſchwitzt’ ich, als haͤtt’ ich Bezoar-Pulver eingenommen; jetzt ſchlaf’ ich, ohne einen einzigen Schweistropfen, ru- hig und ſanft. Der Tod wird mir, das hof ich, nicht unbereitet kommen. Der Wapen- zierrath war mir bey dieſem Sarge unaus- ſtehlich. Es waren drey bemahlte Pfeiler in der Capelle, Weisheit, Staͤrke, Schoͤnheit, Glaube, Liebe, Hofnung! drey Grazien — drey Frauenzimmer, ſagte der Graf, und ich, „die Tugend ſelbſt iſt ein Frauenzimmer, „das Laſter iſt eine Mannsperſon.“ Ey! ſchrie der Graf, Ey! der Prediger. Ich hatte Muͤhe, die guten Herren zu uͤberzeugen, daß mein Vater wohl wuͤſte, was er ſpraͤche. Man muß D 5

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/63>, abgerufen am 27.11.2024.