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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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zen liege. -- Es war kein einziges unter allen
sieben mal sieben Zimmern (so viel waren im
Hause) in denen nicht Ende, Tod und Ver-
wesung, angeschrieben war! Alles mit gros-
sen Buchstaben. Er war ein heiliger Vater,
der die Bilder die Schrift der Einfalt nannte.
Sie sind es; allein für den Klugen sind sie
Poesie. In dem Saal und sechs andern Zim-
mern gemeine Liebe, in den siebenmahl sieben
Zimmern weniger sieben die Christliche. Sär-
ger in den christlichen Zimmern ohn End' und
Zahl -- Wenn ich bey jedem dieser Särger ei-
ne christliche Leichenpredigt halten und die To-
deszimmer all zusammen be- und umschreiben
solte, würd' ich zu langweilig werden. Ein
guter schneller Tod, ist er nicht der beste? Ich
behalte mir vor, auf drey (auch eine heilige
Zahl; eben so gut wie die sieben, vielleicht
eine, die mir nach dem Ausdruck meiner Mut-
ter am Herzen liegt, so wie meinem Vater
die Zahl neun) Zimmer einen Accent zu legen,
und eile zur Capelle. -- Es führte ein fin-
strer Gang dahin, so wie oft ein schlechtes
Geläute zu einer schön gebauten Kirche einla-
det, sagte der Graf. Es konnten nur zwey
gehen, so eng war der Gang, um den schma-
len Weg zu parodiren. Von beyden Seiten

kamen
D 4

zen liege. — Es war kein einziges unter allen
ſieben mal ſieben Zimmern (ſo viel waren im
Hauſe) in denen nicht Ende, Tod und Ver-
weſung, angeſchrieben war! Alles mit groſ-
ſen Buchſtaben. Er war ein heiliger Vater,
der die Bilder die Schrift der Einfalt nannte.
Sie ſind es; allein fuͤr den Klugen ſind ſie
Poeſie. In dem Saal und ſechs andern Zim-
mern gemeine Liebe, in den ſiebenmahl ſieben
Zimmern weniger ſieben die Chriſtliche. Saͤr-
ger in den chriſtlichen Zimmern ohn End’ und
Zahl — Wenn ich bey jedem dieſer Saͤrger ei-
ne chriſtliche Leichenpredigt halten und die To-
deszimmer all zuſammen be- und umſchreiben
ſolte, wuͤrd’ ich zu langweilig werden. Ein
guter ſchneller Tod, iſt er nicht der beſte? Ich
behalte mir vor, auf drey (auch eine heilige
Zahl; eben ſo gut wie die ſieben, vielleicht
eine, die mir nach dem Ausdruck meiner Mut-
ter am Herzen liegt, ſo wie meinem Vater
die Zahl neun) Zimmer einen Accent zu legen,
und eile zur Capelle. — Es fuͤhrte ein fin-
ſtrer Gang dahin, ſo wie oft ein ſchlechtes
Gelaͤute zu einer ſchoͤn gebauten Kirche einla-
det, ſagte der Graf. Es konnten nur zwey
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len Weg zu parodiren. Von beyden Seiten

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[55/0061] zen liege. — Es war kein einziges unter allen ſieben mal ſieben Zimmern (ſo viel waren im Hauſe) in denen nicht Ende, Tod und Ver- weſung, angeſchrieben war! Alles mit groſ- ſen Buchſtaben. Er war ein heiliger Vater, der die Bilder die Schrift der Einfalt nannte. Sie ſind es; allein fuͤr den Klugen ſind ſie Poeſie. In dem Saal und ſechs andern Zim- mern gemeine Liebe, in den ſiebenmahl ſieben Zimmern weniger ſieben die Chriſtliche. Saͤr- ger in den chriſtlichen Zimmern ohn End’ und Zahl — Wenn ich bey jedem dieſer Saͤrger ei- ne chriſtliche Leichenpredigt halten und die To- deszimmer all zuſammen be- und umſchreiben ſolte, wuͤrd’ ich zu langweilig werden. Ein guter ſchneller Tod, iſt er nicht der beſte? Ich behalte mir vor, auf drey (auch eine heilige Zahl; eben ſo gut wie die ſieben, vielleicht eine, die mir nach dem Ausdruck meiner Mut- ter am Herzen liegt, ſo wie meinem Vater die Zahl neun) Zimmer einen Accent zu legen, und eile zur Capelle. — Es fuͤhrte ein fin- ſtrer Gang dahin, ſo wie oft ein ſchlechtes Gelaͤute zu einer ſchoͤn gebauten Kirche einla- det, ſagte der Graf. Es konnten nur zwey gehen, ſo eng war der Gang, um den ſchma- len Weg zu parodiren. Von beyden Seiten kamen D 4

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/61>, abgerufen am 27.11.2024.