Dienst des Verstandes, Gehör im Dienst der Vernunft. Was diesen Dienst betraf; so hatte die gute Frau ihn wahrlich nicht über- trieben. -- Wenn Gott ihr nicht hilft, sagte der Creyßrichter, so geht meine Brust verloh- ren, die ich zu meinem Amte wahrlich noth- wendig habe. Diese Hülfe, das sah man dem engbrüstigen Manne an, war, nach seiner Meynung, ein baldiger Tod, der nach mensch- lichen Berechnungen auch nicht lange mehr ausbleiben konnte. Sie lies, obgleich wir beyde keinen Lungenfehler hatten, uns nicht vor. -- Was meynst du, sagte Gotthard, da wir giengen, wenn er Wittwer wird, und wieder heyrathet, ob er die Hausofficiere be- hält? oder die Stellen eingehen läßt?
Bey unserm Königlichen Rath mußten wir die lezte Mahlzeit halten. Junker Gott- hard hatte überhaupt keine Collegia gehört, und war auch nur, wenn der Königliche Rath es nicht länger aussetzen konnte, und eine große Mahlzeit gab, unter diesen Gästen. Es gefiel Gotthardten dieser Zirkel, bestehend aus einem Officier, einem andern königlichen Rath, einem Prediger, und Professor, un- gemein, und wenn eben dieser Professor ihm nicht wegen richtiger Bezahlung seines Colle-
giums
D d 3
Dienſt des Verſtandes, Gehoͤr im Dienſt der Vernunft. Was dieſen Dienſt betraf; ſo hatte die gute Frau ihn wahrlich nicht uͤber- trieben. — Wenn Gott ihr nicht hilft, ſagte der Creyßrichter, ſo geht meine Bruſt verloh- ren, die ich zu meinem Amte wahrlich noth- wendig habe. Dieſe Huͤlfe, das ſah man dem engbruͤſtigen Manne an, war, nach ſeiner Meynung, ein baldiger Tod, der nach menſch- lichen Berechnungen auch nicht lange mehr ausbleiben konnte. Sie lies, obgleich wir beyde keinen Lungenfehler hatten, uns nicht vor. — Was meynſt du, ſagte Gotthard, da wir giengen, wenn er Wittwer wird, und wieder heyrathet, ob er die Hausofficiere be- haͤlt? oder die Stellen eingehen laͤßt?
Bey unſerm Koͤniglichen Rath mußten wir die lezte Mahlzeit halten. Junker Gott- hard hatte uͤberhaupt keine Collegia gehoͤrt, und war auch nur, wenn der Koͤnigliche Rath es nicht laͤnger ausſetzen konnte, und eine große Mahlzeit gab, unter dieſen Gaͤſten. Es gefiel Gotthardten dieſer Zirkel, beſtehend aus einem Officier, einem andern koͤniglichen Rath, einem Prediger, und Profeſſor, un- gemein, und wenn eben dieſer Profeſſor ihm nicht wegen richtiger Bezahlung ſeines Colle-
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Dienſt des Verſtandes, Gehoͤr im Dienſt der
Vernunft. Was dieſen Dienſt betraf; ſo
hatte die gute Frau ihn wahrlich nicht uͤber-
trieben. — Wenn Gott ihr nicht hilft, ſagte
der Creyßrichter, ſo geht meine Bruſt verloh-
ren, die ich zu meinem Amte wahrlich noth-
wendig habe. Dieſe Huͤlfe, das ſah man dem
engbruͤſtigen Manne an, war, nach ſeiner
Meynung, ein baldiger Tod, der nach menſch-
lichen Berechnungen auch nicht lange mehr
ausbleiben konnte. Sie lies, obgleich wir
beyde keinen Lungenfehler hatten, uns nicht
vor. — Was meynſt du, ſagte Gotthard, da
wir giengen, wenn er Wittwer wird, und
wieder heyrathet, ob er die Hausofficiere be-
haͤlt? oder die Stellen eingehen laͤßt?
Bey unſerm Koͤniglichen Rath mußten
wir die lezte Mahlzeit halten. Junker Gott-
hard hatte uͤberhaupt keine Collegia gehoͤrt,
und war auch nur, wenn der Koͤnigliche Rath
es nicht laͤnger ausſetzen konnte, und eine
große Mahlzeit gab, unter dieſen Gaͤſten.
Es gefiel Gotthardten dieſer Zirkel, beſtehend
aus einem Officier, einem andern koͤniglichen
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 421. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/429>, abgerufen am 22.11.2024.
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