Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

vertilgt hätte, konnt' ichs? Ich kam nicht zu
sehen des Knabens Sterben, hieß es von mir,
wie von Hagar und Ismael! Obgleich Ismael
ein Spötter war; ich aber kein Wort geschrie-
ben habe, was ismaelisch wäre. Die Frage:
hätte Mine füglich Superintendentin werden
können? und die Stelle: wenn auch --
Das wäre so etwas, das ich Lust zu vernich-
ten hätte! Und der Brief an Sie ist wahrlich
des Feuers schuldig. -- Selten, mein Sohn,
ist ein Herz, das nicht mit dem Kopf übern
Fuß gespannt wäre, oft wenig, oft viel. Sel-
ten ists, daß Kopf und Herz sich mit einander
einverstehen, und dann spotten sie sich nach.
Da spielt denn das Herz den Kopf, und der
Kopf das Herz, und die beyden Gecken sehen
sich als ein Paar Affen an! -- Ja, sie
hätte! -- Mine hätte können! Wenn ein
Hechtkopf aufgetragen wird, suche des Kopfs
habhaft zu werden. Zwar ists auch ein
Fischkopf, der jedem Tyrannen schrecklich
seyn würde; dich aber wird er erbauen:
da fehlt nicht ein Stück von dem, was
bey der Kreuzigung vorgefallen -- Speer,
Kreutz. -- Wie stehts, wie gehts auf der
Academie? Laß dich nicht durch Minens Tod
von deinem Fleiß abwendig machen. Sie
studirt dort, du hier, beyde Theologiam!

Ver-
C c

vertilgt haͤtte, konnt’ ichs? Ich kam nicht zu
ſehen des Knabens Sterben, hieß es von mir,
wie von Hagar und Iſmael! Obgleich Iſmael
ein Spoͤtter war; ich aber kein Wort geſchrie-
ben habe, was iſmaeliſch waͤre. Die Frage:
haͤtte Mine fuͤglich Superintendentin werden
koͤnnen? und die Stelle: wenn auch
Das waͤre ſo etwas, das ich Luſt zu vernich-
ten haͤtte! Und der Brief an Sie iſt wahrlich
des Feuers ſchuldig. — Selten, mein Sohn,
iſt ein Herz, das nicht mit dem Kopf uͤbern
Fuß geſpannt waͤre, oft wenig, oft viel. Sel-
ten iſts, daß Kopf und Herz ſich mit einander
einverſtehen, und dann ſpotten ſie ſich nach.
Da ſpielt denn das Herz den Kopf, und der
Kopf das Herz, und die beyden Gecken ſehen
ſich als ein Paar Affen an! — Ja, ſie
haͤtte! — Mine haͤtte koͤnnen! Wenn ein
Hechtkopf aufgetragen wird, ſuche des Kopfs
habhaft zu werden. Zwar iſts auch ein
Fiſchkopf, der jedem Tyrannen ſchrecklich
ſeyn wuͤrde; dich aber wird er erbauen:
da fehlt nicht ein Stuͤck von dem, was
bey der Kreuzigung vorgefallen — Speer,
Kreutz. — Wie ſtehts, wie gehts auf der
Academie? Laß dich nicht durch Minens Tod
von deinem Fleiß abwendig machen. Sie
ſtudirt dort, du hier, beyde Theologiam!

Ver-
C c
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0409" n="401"/>
vertilgt ha&#x0364;tte, konnt&#x2019; ichs? Ich kam nicht zu<lb/>
&#x017F;ehen des Knabens Sterben, hieß es von mir,<lb/>
wie von Hagar und I&#x017F;mael! Obgleich I&#x017F;mael<lb/>
ein Spo&#x0364;tter war; ich aber kein Wort ge&#x017F;chrie-<lb/>
ben habe, was i&#x017F;maeli&#x017F;ch wa&#x0364;re. Die Frage:<lb/>
ha&#x0364;tte Mine fu&#x0364;glich Superintendentin werden<lb/>
ko&#x0364;nnen? und die Stelle: <hi rendition="#fr">wenn auch</hi> &#x2014;<lb/>
Das wa&#x0364;re &#x017F;o etwas, das ich Lu&#x017F;t zu vernich-<lb/>
ten ha&#x0364;tte! Und der Brief an Sie i&#x017F;t wahrlich<lb/>
des Feuers &#x017F;chuldig. &#x2014; Selten, mein Sohn,<lb/>
i&#x017F;t ein Herz, das nicht mit dem Kopf u&#x0364;bern<lb/>
Fuß ge&#x017F;pannt wa&#x0364;re, oft wenig, oft viel. Sel-<lb/>
ten i&#x017F;ts, daß Kopf und Herz &#x017F;ich mit einander<lb/>
einver&#x017F;tehen, und dann &#x017F;potten &#x017F;ie &#x017F;ich nach.<lb/>
Da &#x017F;pielt denn das Herz den Kopf, und der<lb/>
Kopf das Herz, und die beyden Gecken &#x017F;ehen<lb/>
&#x017F;ich als ein Paar Affen an! &#x2014; Ja, &#x017F;ie<lb/>
ha&#x0364;tte! &#x2014; Mine ha&#x0364;tte ko&#x0364;nnen! Wenn ein<lb/>
Hechtkopf aufgetragen wird, &#x017F;uche des Kopfs<lb/>
habhaft zu werden. Zwar i&#x017F;ts auch ein<lb/>
Fi&#x017F;chkopf, der jedem Tyrannen &#x017F;chrecklich<lb/>
&#x017F;eyn wu&#x0364;rde; dich aber wird er erbauen:<lb/>
da fehlt nicht ein Stu&#x0364;ck von dem, was<lb/>
bey der Kreuzigung vorgefallen &#x2014; Speer,<lb/>
Kreutz. &#x2014; Wie &#x017F;tehts, wie gehts auf der<lb/>
Academie? Laß dich nicht durch Minens Tod<lb/>
von deinem Fleiß abwendig machen. Sie<lb/>
&#x017F;tudirt dort, du hier, beyde Theologiam!<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C c</fw><fw place="bottom" type="catch">Ver-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[401/0409] vertilgt haͤtte, konnt’ ichs? Ich kam nicht zu ſehen des Knabens Sterben, hieß es von mir, wie von Hagar und Iſmael! Obgleich Iſmael ein Spoͤtter war; ich aber kein Wort geſchrie- ben habe, was iſmaeliſch waͤre. Die Frage: haͤtte Mine fuͤglich Superintendentin werden koͤnnen? und die Stelle: wenn auch — Das waͤre ſo etwas, das ich Luſt zu vernich- ten haͤtte! Und der Brief an Sie iſt wahrlich des Feuers ſchuldig. — Selten, mein Sohn, iſt ein Herz, das nicht mit dem Kopf uͤbern Fuß geſpannt waͤre, oft wenig, oft viel. Sel- ten iſts, daß Kopf und Herz ſich mit einander einverſtehen, und dann ſpotten ſie ſich nach. Da ſpielt denn das Herz den Kopf, und der Kopf das Herz, und die beyden Gecken ſehen ſich als ein Paar Affen an! — Ja, ſie haͤtte! — Mine haͤtte koͤnnen! Wenn ein Hechtkopf aufgetragen wird, ſuche des Kopfs habhaft zu werden. Zwar iſts auch ein Fiſchkopf, der jedem Tyrannen ſchrecklich ſeyn wuͤrde; dich aber wird er erbauen: da fehlt nicht ein Stuͤck von dem, was bey der Kreuzigung vorgefallen — Speer, Kreutz. — Wie ſtehts, wie gehts auf der Academie? Laß dich nicht durch Minens Tod von deinem Fleiß abwendig machen. Sie ſtudirt dort, du hier, beyde Theologiam! Ver- C c

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/409
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/409>, abgerufen am 22.07.2024.