Walde, wo ich denn wohl einsah, daß die stolze Eiche, die gern ein Wörtchen mitspricht, und die, wenn der Wind daher fährt, Schelt- wort auf Scheltwort giebt, stock still war. Im Walde, wo der Blitz sich so recht herum schlengeln kann, war mir ehemals nichts schrecklich! -- Wie still es hier war, wie vor dem Wort: es werde Licht! Da bewegte sich kein Blat. Mir war ehemals diese Stille erwecklich! himmlisch -- Nach Minens Tode, ich kann es nicht leugnen, ist mir beym Don- ner und Blitz nicht mehr so zu Muthe! Jetzt ist auch was von thut Buße drinn, und im Blitz: bedenke das Ende! Ich schaudre vor dicker Finsternis, und alles scheint Mine im Munde zu haben und wider mich aus- brechen zu wollen. Vor diesem, selbst wenn eins vom Blitz getroffen war, kam es mir vor, als wär' es im feurigen Roß und Wa- gen gen Himmel gehohlt; vorzüglich dacht' ich dies bey dem Blitztode des alten Peters, denn es war ein so guter frommer alter Mann, daß nichts wider ihn zu sagen war. Man suchte nach seinem Tode; allein kein blauer Fleck an ihm! -- Es war kein Schmerz in seinen Falten; sie schienen wie ausgeglet- tet. Im Leben hatte Peter auch keinen Fleck,
ausser
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Walde, wo ich denn wohl einſah, daß die ſtolze Eiche, die gern ein Woͤrtchen mitſpricht, und die, wenn der Wind daher faͤhrt, Schelt- wort auf Scheltwort giebt, ſtock ſtill war. Im Walde, wo der Blitz ſich ſo recht herum ſchlengeln kann, war mir ehemals nichts ſchrecklich! — Wie ſtill es hier war, wie vor dem Wort: es werde Licht! Da bewegte ſich kein Blat. Mir war ehemals dieſe Stille erwecklich! himmliſch — Nach Minens Tode, ich kann es nicht leugnen, iſt mir beym Don- ner und Blitz nicht mehr ſo zu Muthe! Jetzt iſt auch was von thut Buße drinn, und im Blitz: bedenke das Ende! Ich ſchaudre vor dicker Finſternis, und alles ſcheint Mine im Munde zu haben und wider mich aus- brechen zu wollen. Vor dieſem, ſelbſt wenn eins vom Blitz getroffen war, kam es mir vor, als waͤr’ es im feurigen Roß und Wa- gen gen Himmel gehohlt; vorzuͤglich dacht’ ich dies bey dem Blitztode des alten Peters, denn es war ein ſo guter frommer alter Mann, daß nichts wider ihn zu ſagen war. Man ſuchte nach ſeinem Tode; allein kein blauer Fleck an ihm! — Es war kein Schmerz in ſeinen Falten; ſie ſchienen wie ausgeglet- tet. Im Leben hatte Peter auch keinen Fleck,
auſſer
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Walde, wo ich denn wohl einſah, daß die
ſtolze Eiche, die gern ein Woͤrtchen mitſpricht,
und die, wenn der Wind daher faͤhrt, Schelt-
wort auf Scheltwort giebt, ſtock ſtill war.
Im Walde, wo der Blitz ſich ſo recht herum
ſchlengeln kann, war mir ehemals nichts
ſchrecklich! — Wie ſtill es hier war, wie vor
dem Wort: es werde Licht! Da bewegte ſich
kein Blat. Mir war ehemals dieſe Stille
erwecklich! himmliſch — Nach Minens Tode,
ich kann es nicht leugnen, iſt mir beym Don-
ner und Blitz nicht mehr ſo zu Muthe! Jetzt
iſt auch was von thut Buße drinn, und im
Blitz: bedenke das Ende! Ich ſchaudre
vor dicker Finſternis, und alles ſcheint Mine
im Munde zu haben und wider mich aus-
brechen zu wollen. Vor dieſem, ſelbſt wenn
eins vom Blitz getroffen war, kam es mir
vor, als waͤr’ es im feurigen Roß und Wa-
gen gen Himmel gehohlt; vorzuͤglich dacht’
ich dies bey dem Blitztode des alten Peters,
denn es war ein ſo guter frommer alter
Mann, daß nichts wider ihn zu ſagen war.
Man ſuchte nach ſeinem Tode; allein kein
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/397>, abgerufen am 25.11.2024.
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