der Agende auszuweichen, da sie vom Stande der Unschuld keinen Begrif haben. --
Meine Leser sind in der Kirche zu L -- schon so bekannt, wie ich selbst, und wissen, daß die Kirche nie anders als nach einem Lob- gesang geschlossen wird. Wie beym Begräb- nis ward nach der Copulation gesungen: Nun danket alle Gott! --
Nach diesem Gesang betet' alles vorm Al- tar. Die Braut hatte, wie es wohl sonst etwas ungewöhnliches ist, keine einzige Thräne geweint. -- Nach dem Gebet tra- ten die beyden Töchter der Dorfältesten hin- zu, und wünschten Gretchen alles aus dem zweyten Capitel. -- Die ädle Einfalt dieser Wünschenden war rührend, so wie es alles ädeleinfältige ist. Gretchen und die Mäd- chen waren Jahreskinder, Milchschwestern, zusammen zur Kinderlehre gegangen und zu- sammen confirmirt, oder, wie es in Preussen heißt: eingesegnet. Gretchen wünschte, daß sie auch bald Gelegenheit haben möge, ihnen beyden so Glück zu wünschen. -- Die Mäd- chen hatten Thränen in den Augen, und man sah' es ihnen an, daß es Thränen der Liebe waren. Gretchen küßte sie beyde, und nun
gien-
der Agende auszuweichen, da ſie vom Stande der Unſchuld keinen Begrif haben. —
Meine Leſer ſind in der Kirche zu L — ſchon ſo bekannt, wie ich ſelbſt, und wiſſen, daß die Kirche nie anders als nach einem Lob- geſang geſchloſſen wird. Wie beym Begraͤb- nis ward nach der Copulation geſungen: Nun danket alle Gott! —
Nach dieſem Geſang betet’ alles vorm Al- tar. Die Braut hatte, wie es wohl ſonſt etwas ungewoͤhnliches iſt, keine einzige Thraͤne geweint. — Nach dem Gebet tra- ten die beyden Toͤchter der Dorfaͤlteſten hin- zu, und wuͤnſchten Gretchen alles aus dem zweyten Capitel. — Die aͤdle Einfalt dieſer Wuͤnſchenden war ruͤhrend, ſo wie es alles aͤdeleinfaͤltige iſt. Gretchen und die Maͤd- chen waren Jahreskinder, Milchſchweſtern, zuſammen zur Kinderlehre gegangen und zu- ſammen confirmirt, oder, wie es in Preuſſen heißt: eingeſegnet. Gretchen wuͤnſchte, daß ſie auch bald Gelegenheit haben moͤge, ihnen beyden ſo Gluͤck zu wuͤnſchen. — Die Maͤd- chen hatten Thraͤnen in den Augen, und man ſah’ es ihnen an, daß es Thraͤnen der Liebe waren. Gretchen kuͤßte ſie beyde, und nun
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der Agende auszuweichen, da ſie vom Stande
der Unſchuld keinen Begrif haben. —
Meine Leſer ſind in der Kirche zu L —
ſchon ſo bekannt, wie ich ſelbſt, und wiſſen,
daß die Kirche nie anders als nach einem Lob-
geſang geſchloſſen wird. Wie beym Begraͤb-
nis ward nach der Copulation geſungen:
Nun danket alle Gott! —
Nach dieſem Geſang betet’ alles vorm Al-
tar. Die Braut hatte, wie es wohl ſonſt
etwas ungewoͤhnliches iſt, keine einzige
Thraͤne geweint. — Nach dem Gebet tra-
ten die beyden Toͤchter der Dorfaͤlteſten hin-
zu, und wuͤnſchten Gretchen alles aus dem
zweyten Capitel. — Die aͤdle Einfalt dieſer
Wuͤnſchenden war ruͤhrend, ſo wie es alles
aͤdeleinfaͤltige iſt. Gretchen und die Maͤd-
chen waren Jahreskinder, Milchſchweſtern,
zuſammen zur Kinderlehre gegangen und zu-
ſammen confirmirt, oder, wie es in Preuſſen
heißt: eingeſegnet. Gretchen wuͤnſchte, daß
ſie auch bald Gelegenheit haben moͤge, ihnen
beyden ſo Gluͤck zu wuͤnſchen. — Die Maͤd-
chen hatten Thraͤnen in den Augen, und man
ſah’ es ihnen an, daß es Thraͤnen der Liebe
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/344>, abgerufen am 22.11.2024.
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