Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Daß das Studiren tröste, hab ich erfah-
ren. Der einzige Trost in der Welt, wenn
ja die Welt Trost hat, liegt in den Wissen-
schaften. Selbst die Unvollkommenheit un-
seres Wissens ist tröstlich; die edle Art, uns
zu zerstreuen, die den Wissenschaften eigen ist,
hat weder die Welt, noch etwas, das in der
Welt ist! -- Die Wissenschaften allein kön-
nen zerstreuen! -- In ihnen liegt Lehr- und
Trostamt eines guten, eines heiligen Geistes,
den der Vater in unsern lezten Tagen gesen-
det hat, denen zur Stärke, welche ob dem
Jammer, ob dem Elend dieser im Argen lie-
genden Welt danieder liegen! Wir haben
die Natur, die Freyheit, verlaßen, und uns
selbst in die Festung gebracht. Die Wissen-
schaften sind da, um uns wenigstens in der
Festung eine gute Aussicht zu verschaffen, um
uns die Zeit zu vertreiben.

Studiren ist eine Art von Geisterseherey,
eine Empfindung höherer Kräfte, ein Vor-
schmack des Himmels! -- Die Alten, wel-
che die Ideen der andern Welt nur für schöne
Träume hielten, wußten nicht, wie dieser
Trost eigentlich mit den Wissenschaften ver-
bunden war, wo er eigentlich zu Hause ge-
höre? --

Uebri-

Daß das Studiren troͤſte, hab ich erfah-
ren. Der einzige Troſt in der Welt, wenn
ja die Welt Troſt hat, liegt in den Wiſſen-
ſchaften. Selbſt die Unvollkommenheit un-
ſeres Wiſſens iſt troͤſtlich; die edle Art, uns
zu zerſtreuen, die den Wiſſenſchaften eigen iſt,
hat weder die Welt, noch etwas, das in der
Welt iſt! — Die Wiſſenſchaften allein koͤn-
nen zerſtreuen! — In ihnen liegt Lehr- und
Troſtamt eines guten, eines heiligen Geiſtes,
den der Vater in unſern lezten Tagen geſen-
det hat, denen zur Staͤrke, welche ob dem
Jammer, ob dem Elend dieſer im Argen lie-
genden Welt danieder liegen! Wir haben
die Natur, die Freyheit, verlaßen, und uns
ſelbſt in die Feſtung gebracht. Die Wiſſen-
ſchaften ſind da, um uns wenigſtens in der
Feſtung eine gute Ausſicht zu verſchaffen, um
uns die Zeit zu vertreiben.

Studiren iſt eine Art von Geiſterſeherey,
eine Empfindung hoͤherer Kraͤfte, ein Vor-
ſchmack des Himmels! — Die Alten, wel-
che die Ideen der andern Welt nur fuͤr ſchoͤne
Traͤume hielten, wußten nicht, wie dieſer
Troſt eigentlich mit den Wiſſenſchaften ver-
bunden war, wo er eigentlich zu Hauſe ge-
hoͤre? —

Uebri-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0314" n="308"/>
        <p>Daß das Studiren tro&#x0364;&#x017F;te, hab ich erfah-<lb/>
ren. Der einzige Tro&#x017F;t in der Welt, wenn<lb/>
ja die Welt Tro&#x017F;t hat, liegt in den Wi&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
&#x017F;chaften. Selb&#x017F;t die Unvollkommenheit un-<lb/>
&#x017F;eres Wi&#x017F;&#x017F;ens i&#x017F;t tro&#x0364;&#x017F;tlich; die edle Art, uns<lb/>
zu zer&#x017F;treuen, die den Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften eigen i&#x017F;t,<lb/>
hat weder die Welt, noch etwas, das in der<lb/>
Welt i&#x017F;t! &#x2014; Die Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften allein ko&#x0364;n-<lb/>
nen zer&#x017F;treuen! &#x2014; In ihnen liegt Lehr- und<lb/>
Tro&#x017F;tamt eines guten, eines heiligen Gei&#x017F;tes,<lb/>
den der Vater in un&#x017F;ern lezten Tagen ge&#x017F;en-<lb/>
det hat, denen zur Sta&#x0364;rke, welche ob dem<lb/>
Jammer, ob dem Elend die&#x017F;er im Argen lie-<lb/>
genden Welt danieder liegen! Wir haben<lb/>
die Natur, die Freyheit, verlaßen, und uns<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t in die Fe&#x017F;tung gebracht. Die Wi&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
&#x017F;chaften &#x017F;ind da, um uns wenig&#x017F;tens in der<lb/>
Fe&#x017F;tung eine gute Aus&#x017F;icht zu ver&#x017F;chaffen, um<lb/>
uns die Zeit zu vertreiben.</p><lb/>
        <p>Studiren i&#x017F;t eine Art von Gei&#x017F;ter&#x017F;eherey,<lb/>
eine Empfindung ho&#x0364;herer Kra&#x0364;fte, ein Vor-<lb/>
&#x017F;chmack des Himmels! &#x2014; Die Alten, wel-<lb/>
che die Ideen der andern Welt nur fu&#x0364;r &#x017F;cho&#x0364;ne<lb/>
Tra&#x0364;ume hielten, wußten nicht, wie die&#x017F;er<lb/>
Tro&#x017F;t eigentlich mit den Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften ver-<lb/>
bunden war, wo er eigentlich zu Hau&#x017F;e ge-<lb/>
ho&#x0364;re? &#x2014;</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Uebri-</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[308/0314] Daß das Studiren troͤſte, hab ich erfah- ren. Der einzige Troſt in der Welt, wenn ja die Welt Troſt hat, liegt in den Wiſſen- ſchaften. Selbſt die Unvollkommenheit un- ſeres Wiſſens iſt troͤſtlich; die edle Art, uns zu zerſtreuen, die den Wiſſenſchaften eigen iſt, hat weder die Welt, noch etwas, das in der Welt iſt! — Die Wiſſenſchaften allein koͤn- nen zerſtreuen! — In ihnen liegt Lehr- und Troſtamt eines guten, eines heiligen Geiſtes, den der Vater in unſern lezten Tagen geſen- det hat, denen zur Staͤrke, welche ob dem Jammer, ob dem Elend dieſer im Argen lie- genden Welt danieder liegen! Wir haben die Natur, die Freyheit, verlaßen, und uns ſelbſt in die Feſtung gebracht. Die Wiſſen- ſchaften ſind da, um uns wenigſtens in der Feſtung eine gute Ausſicht zu verſchaffen, um uns die Zeit zu vertreiben. Studiren iſt eine Art von Geiſterſeherey, eine Empfindung hoͤherer Kraͤfte, ein Vor- ſchmack des Himmels! — Die Alten, wel- che die Ideen der andern Welt nur fuͤr ſchoͤne Traͤume hielten, wußten nicht, wie dieſer Troſt eigentlich mit den Wiſſenſchaften ver- bunden war, wo er eigentlich zu Hauſe ge- hoͤre? — Uebri-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/314
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/314>, abgerufen am 25.11.2024.