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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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nung, daß die erste Erziehung negativ sey?
oder muß jeder Unterricht cum reseruatione
reseruandorum
negativ seyn? Ich denke ad
Zwey, Ja. Willst du ein collegium chari-
tatiuum
anordnen, willst du caussa cognita
rechtliches Erkenntnis eröfnen? In allen
Stücken will ich hören! -- denn dazu bin ich,
und du zum Lesen (Gott helf dir!) berufen.
Würde mein vorgeschlagener Weg gewandelt,
wahrlich wir wären selbst im speculativen
Fache ein wenig weiter, nicht eben in Rück-
sicht von Sonne, Mond und Sternen, son-
dern unserer selbst, der Welt in nuce, in
compendio.
-- Wahrlich, das sind wir.
Der Mensch hat einen innerlichen Sporn zur
Thätigkeit. Er will durchaus, daß die Leute
selbst mehr von ihm sagen sollen, als an ihm
ist. (Obgleich der Philosoph durch sich selbst,
und nicht durch sein äußeres, sich vom Haufen
unterscheidet, obgleich alle Affektation ein
Mangel wahrer Vollkommenheit, ein Man-
gel menschlicher Vollständigkeit ist,) Woher
dies? Der Mensch dringt durchaus zum
Positiven. Glaube mir, hohe Schule!
Wenn jeder positive Jüngling, nach rühm-
lichst zurückgelegter academischen negativen
Bahn, weiter gienge: was würde da nicht

zum

nung, daß die erſte Erziehung negativ ſey?
oder muß jeder Unterricht cum reſeruatione
reſeruandorum
negativ ſeyn? Ich denke ad
Zwey, Ja. Willſt du ein collegium chari-
tatiuum
anordnen, willſt du cauſſa cognita
rechtliches Erkenntnis eroͤfnen? In allen
Stuͤcken will ich hoͤren! — denn dazu bin ich,
und du zum Leſen (Gott helf dir!) berufen.
Wuͤrde mein vorgeſchlagener Weg gewandelt,
wahrlich wir waͤren ſelbſt im ſpeculativen
Fache ein wenig weiter, nicht eben in Ruͤck-
ſicht von Sonne, Mond und Sternen, ſon-
dern unſerer ſelbſt, der Welt in nuce, in
compendio.
— Wahrlich, das ſind wir.
Der Menſch hat einen innerlichen Sporn zur
Thaͤtigkeit. Er will durchaus, daß die Leute
ſelbſt mehr von ihm ſagen ſollen, als an ihm
iſt. (Obgleich der Philoſoph durch ſich ſelbſt,
und nicht durch ſein aͤußeres, ſich vom Haufen
unterſcheidet, obgleich alle Affektation ein
Mangel wahrer Vollkommenheit, ein Man-
gel menſchlicher Vollſtaͤndigkeit iſt,) Woher
dies? Der Menſch dringt durchaus zum
Poſitiven. Glaube mir, hohe Schule!
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[301/0307] nung, daß die erſte Erziehung negativ ſey? oder muß jeder Unterricht cum reſeruatione reſeruandorum negativ ſeyn? Ich denke ad Zwey, Ja. Willſt du ein collegium chari- tatiuum anordnen, willſt du cauſſa cognita rechtliches Erkenntnis eroͤfnen? In allen Stuͤcken will ich hoͤren! — denn dazu bin ich, und du zum Leſen (Gott helf dir!) berufen. Wuͤrde mein vorgeſchlagener Weg gewandelt, wahrlich wir waͤren ſelbſt im ſpeculativen Fache ein wenig weiter, nicht eben in Ruͤck- ſicht von Sonne, Mond und Sternen, ſon- dern unſerer ſelbſt, der Welt in nuce, in compendio. — Wahrlich, das ſind wir. Der Menſch hat einen innerlichen Sporn zur Thaͤtigkeit. Er will durchaus, daß die Leute ſelbſt mehr von ihm ſagen ſollen, als an ihm iſt. (Obgleich der Philoſoph durch ſich ſelbſt, und nicht durch ſein aͤußeres, ſich vom Haufen unterſcheidet, obgleich alle Affektation ein Mangel wahrer Vollkommenheit, ein Man- gel menſchlicher Vollſtaͤndigkeit iſt,) Woher dies? Der Menſch dringt durchaus zum Poſitiven. Glaube mir, hohe Schule! Wenn jeder poſitive Juͤngling, nach ruͤhm- lichſt zuruͤckgelegter academiſchen negativen Bahn, weiter gienge: was wuͤrde da nicht zum

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/307>, abgerufen am 24.11.2024.