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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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Wie mich diese Zugabe des Todtengrä-
bers gerührt, mag jeder meiner Leser selbst
empfinden, der sich dies in einander geschlun-
gene Paar Bäume so lebhaft vorstellen kann,
als ich! Da lag ich, und Mine im Geist in
meinem Arm! Die Bäume -- waren Linden.

Bis hieher hat der Herr geholfen, sagte
Samuel, da er einen Stein zum Altar hin-
legte, und auch ich; ihr wißt es, ihr heiligen
Gräber und ihr Bäume, die ihr mit ihnen so
nahe verwandt seyd, ihr wißt es, wie ich bey
diesem Altar bewegt war, den ich nächst Gott
Minen setzte. Der Todtengräber war weg.
Ich allein. -- Ein heiliger Schauder nach
dem andern nahm mich, als wenn diese oder
jene abgeschiedene Seele auf und in mich
würkte, und nun, da ich mir selbst zu schwer
war, fiel ich auf Gottes Gartenacker, von
wo ich beyde Hände offen gen Himmel hob,
als wenn mir Gott einen sanften seligen Tod
hinein legen sollte. O wahrlich! ich bettelte
drum, siehe da fiel ein welkes Blatt auf meine
Rechte; dies nahm ich und gieng gesegnet in
mein Haus; noch liegt dies Blatt in der Bi-
bel, die mir mein Vater auf den Weg gab.
Wie mir diesen Einweihungsabend war, ver-
mag ich nicht auszudrücken. Oft hab' ich

ihn

Wie mich dieſe Zugabe des Todtengraͤ-
bers geruͤhrt, mag jeder meiner Leſer ſelbſt
empfinden, der ſich dies in einander geſchlun-
gene Paar Baͤume ſo lebhaft vorſtellen kann,
als ich! Da lag ich, und Mine im Geiſt in
meinem Arm! Die Baͤume — waren Linden.

Bis hieher hat der Herr geholfen, ſagte
Samuel, da er einen Stein zum Altar hin-
legte, und auch ich; ihr wißt es, ihr heiligen
Graͤber und ihr Baͤume, die ihr mit ihnen ſo
nahe verwandt ſeyd, ihr wißt es, wie ich bey
dieſem Altar bewegt war, den ich naͤchſt Gott
Minen ſetzte. Der Todtengraͤber war weg.
Ich allein. — Ein heiliger Schauder nach
dem andern nahm mich, als wenn dieſe oder
jene abgeſchiedene Seele auf und in mich
wuͤrkte, und nun, da ich mir ſelbſt zu ſchwer
war, fiel ich auf Gottes Gartenacker, von
wo ich beyde Haͤnde offen gen Himmel hob,
als wenn mir Gott einen ſanften ſeligen Tod
hinein legen ſollte. O wahrlich! ich bettelte
drum, ſiehe da fiel ein welkes Blatt auf meine
Rechte; dies nahm ich und gieng geſegnet in
mein Haus; noch liegt dies Blatt in der Bi-
bel, die mir mein Vater auf den Weg gab.
Wie mir dieſen Einweihungsabend war, ver-
mag ich nicht auszudruͤcken. Oft hab’ ich

ihn
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[274/0280] Wie mich dieſe Zugabe des Todtengraͤ- bers geruͤhrt, mag jeder meiner Leſer ſelbſt empfinden, der ſich dies in einander geſchlun- gene Paar Baͤume ſo lebhaft vorſtellen kann, als ich! Da lag ich, und Mine im Geiſt in meinem Arm! Die Baͤume — waren Linden. Bis hieher hat der Herr geholfen, ſagte Samuel, da er einen Stein zum Altar hin- legte, und auch ich; ihr wißt es, ihr heiligen Graͤber und ihr Baͤume, die ihr mit ihnen ſo nahe verwandt ſeyd, ihr wißt es, wie ich bey dieſem Altar bewegt war, den ich naͤchſt Gott Minen ſetzte. Der Todtengraͤber war weg. Ich allein. — Ein heiliger Schauder nach dem andern nahm mich, als wenn dieſe oder jene abgeſchiedene Seele auf und in mich wuͤrkte, und nun, da ich mir ſelbſt zu ſchwer war, fiel ich auf Gottes Gartenacker, von wo ich beyde Haͤnde offen gen Himmel hob, als wenn mir Gott einen ſanften ſeligen Tod hinein legen ſollte. O wahrlich! ich bettelte drum, ſiehe da fiel ein welkes Blatt auf meine Rechte; dies nahm ich und gieng geſegnet in mein Haus; noch liegt dies Blatt in der Bi- bel, die mir mein Vater auf den Weg gab. Wie mir dieſen Einweihungsabend war, ver- mag ich nicht auszudruͤcken. Oft hab’ ich ihn

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/280>, abgerufen am 23.11.2024.