besucht' ihn, so oft er nach Königsberg kam. Ich bin bey ihm einige Jahre in Dienst ge- wesen, sezt er hinzu. -- So, dacht' ich, bist du ein würklich ausgelernter zünftiger Tod- tengräber, bey solch einem Meister! --
Nach diesen Umständen fand ich es nicht länger schwierig, diesen ausgelernten Todten- gräber in mein Herz tiefer hinein sehen zu lassen. Ich habe, sagt' ich, eine Schwester verlohren, die ich sehr liebte, und an die ich gern hier auf diesem Kirchhofe denken will. Ich gehe darauf aus, mir einzubilden, daß sie hier begraben sey, um mich mit dem An- denken an sie desto fester zu binden, das dau- ren soll, bis daß auch ich begraben werde. Sterb ich in Königsberg, versteht sich, ist hier mein Grab. Der Todtengräber, dem mit dergleichen idealischen Gräbern, bey denen er seine Stange nicht brauchen konnte, nicht im mindesten gedient war, widerrieth mir, ob- gleich er einige Jahre beym Grafen v-- ge- dient, diese Imaginationen, die keinem Men- schen was einbrächten, wohl aber dem, der sich mit ihnen in Vertraulichkeit einläßt, an Leib und Seel schaden könnten. Ich glaubte zu merken, worauf es bey diesem Ehrenmann ankäme, und nachdem ich mich seiner Gebüh-
ren
beſucht’ ihn, ſo oft er nach Koͤnigsberg kam. Ich bin bey ihm einige Jahre in Dienſt ge- weſen, ſezt er hinzu. — So, dacht’ ich, biſt du ein wuͤrklich ausgelernter zuͤnftiger Tod- tengraͤber, bey ſolch einem Meiſter! —
Nach dieſen Umſtaͤnden fand ich es nicht laͤnger ſchwierig, dieſen ausgelernten Todten- graͤber in mein Herz tiefer hinein ſehen zu laſſen. Ich habe, ſagt’ ich, eine Schweſter verlohren, die ich ſehr liebte, und an die ich gern hier auf dieſem Kirchhofe denken will. Ich gehe darauf aus, mir einzubilden, daß ſie hier begraben ſey, um mich mit dem An- denken an ſie deſto feſter zu binden, das dau- ren ſoll, bis daß auch ich begraben werde. Sterb ich in Koͤnigsberg, verſteht ſich, iſt hier mein Grab. Der Todtengraͤber, dem mit dergleichen idealiſchen Graͤbern, bey denen er ſeine Stange nicht brauchen konnte, nicht im mindeſten gedient war, widerrieth mir, ob- gleich er einige Jahre beym Grafen v— ge- dient, dieſe Imaginationen, die keinem Men- ſchen was einbraͤchten, wohl aber dem, der ſich mit ihnen in Vertraulichkeit einlaͤßt, an Leib und Seel ſchaden koͤnnten. Ich glaubte zu merken, worauf es bey dieſem Ehrenmann ankaͤme, und nachdem ich mich ſeiner Gebuͤh-
ren
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beſucht’ ihn, ſo oft er nach Koͤnigsberg kam.
Ich bin bey ihm einige Jahre in Dienſt ge-
weſen, ſezt er hinzu. — So, dacht’ ich, biſt
du ein wuͤrklich ausgelernter zuͤnftiger Tod-
tengraͤber, bey ſolch einem Meiſter! —
Nach dieſen Umſtaͤnden fand ich es nicht
laͤnger ſchwierig, dieſen ausgelernten Todten-
graͤber in mein Herz tiefer hinein ſehen zu
laſſen. Ich habe, ſagt’ ich, eine Schweſter
verlohren, die ich ſehr liebte, und an die ich
gern hier auf dieſem Kirchhofe denken will.
Ich gehe darauf aus, mir einzubilden, daß
ſie hier begraben ſey, um mich mit dem An-
denken an ſie deſto feſter zu binden, das dau-
ren ſoll, bis daß auch ich begraben werde.
Sterb ich in Koͤnigsberg, verſteht ſich, iſt
hier mein Grab. Der Todtengraͤber, dem mit
dergleichen idealiſchen Graͤbern, bey denen er
ſeine Stange nicht brauchen konnte, nicht im
mindeſten gedient war, widerrieth mir, ob-
gleich er einige Jahre beym Grafen v— ge-
dient, dieſe Imaginationen, die keinem Men-
ſchen was einbraͤchten, wohl aber dem, der
ſich mit ihnen in Vertraulichkeit einlaͤßt, an
Leib und Seel ſchaden koͤnnten. Ich glaubte
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/274>, abgerufen am 23.11.2024.
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