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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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auf dem Meinigen. Ich konnte nicht so
glücklich seyn in L--, wo ihre Gebeine ruhe-
ten, körperlich mit ihr zusammen zu seyn, und
eben dadurch, nach der Meynung des Gra-
fen, länger sie zu haben, länger sie zu besitzen.
Es war mithin alles im Geist. Wahrlich,
unsere Liebe war Geist zu Geist, war himm-
lisch, war auserwählt -- ich wallfahrtete so
oft ich konnte auf alle Kirchhöfe, christliche
und unchristliche, und las mir einen aus, wo
ich Minens Andenken stiften wollte. Diesen
fand ich an einer Kirche, die man die Roß-
gärtsche nennt.

Der Tod, Freunde, ist natürlich fürchter-
lich! Der Denker, der sein eigen Licht hat,
und der gemeine Geist, der sein Licht von der
Sonne borgt, müßen gleicherweis ihre Zu-
flucht zur Kunst nehmen, um den Tod sich
leidlich vorzustellen, und da kommt es mit auf
die Oerter an, wo man uns hinbringt.

Gewölbe sind das nicht Oerter, wo einem
Angst und bange wird. Der Moder, der
Todtengeruch, womit wir unsere Kirchen ver-
pesten, wie schrecklich zieht er dahin und da-
her, wenn er eingemauert wird? Bringt
den Todten in die freye Luft, er ist leben-

dig.
R 5

auf dem Meinigen. Ich konnte nicht ſo
gluͤcklich ſeyn in L—, wo ihre Gebeine ruhe-
ten, koͤrperlich mit ihr zuſammen zu ſeyn, und
eben dadurch, nach der Meynung des Gra-
fen, laͤnger ſie zu haben, laͤnger ſie zu beſitzen.
Es war mithin alles im Geiſt. Wahrlich,
unſere Liebe war Geiſt zu Geiſt, war himm-
liſch, war auserwaͤhlt — ich wallfahrtete ſo
oft ich konnte auf alle Kirchhoͤfe, chriſtliche
und unchriſtliche, und las mir einen aus, wo
ich Minens Andenken ſtiften wollte. Dieſen
fand ich an einer Kirche, die man die Roß-
gaͤrtſche nennt.

Der Tod, Freunde, iſt natuͤrlich fuͤrchter-
lich! Der Denker, der ſein eigen Licht hat,
und der gemeine Geiſt, der ſein Licht von der
Sonne borgt, muͤßen gleicherweis ihre Zu-
flucht zur Kunſt nehmen, um den Tod ſich
leidlich vorzuſtellen, und da kommt es mit auf
die Oerter an, wo man uns hinbringt.

Gewoͤlbe ſind das nicht Oerter, wo einem
Angſt und bange wird. Der Moder, der
Todtengeruch, womit wir unſere Kirchen ver-
peſten, wie ſchrecklich zieht er dahin und da-
her, wenn er eingemauert wird? Bringt
den Todten in die freye Luft, er iſt leben-

dig.
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[265/0271] auf dem Meinigen. Ich konnte nicht ſo gluͤcklich ſeyn in L—, wo ihre Gebeine ruhe- ten, koͤrperlich mit ihr zuſammen zu ſeyn, und eben dadurch, nach der Meynung des Gra- fen, laͤnger ſie zu haben, laͤnger ſie zu beſitzen. Es war mithin alles im Geiſt. Wahrlich, unſere Liebe war Geiſt zu Geiſt, war himm- liſch, war auserwaͤhlt — ich wallfahrtete ſo oft ich konnte auf alle Kirchhoͤfe, chriſtliche und unchriſtliche, und las mir einen aus, wo ich Minens Andenken ſtiften wollte. Dieſen fand ich an einer Kirche, die man die Roß- gaͤrtſche nennt. Der Tod, Freunde, iſt natuͤrlich fuͤrchter- lich! Der Denker, der ſein eigen Licht hat, und der gemeine Geiſt, der ſein Licht von der Sonne borgt, muͤßen gleicherweis ihre Zu- flucht zur Kunſt nehmen, um den Tod ſich leidlich vorzuſtellen, und da kommt es mit auf die Oerter an, wo man uns hinbringt. Gewoͤlbe ſind das nicht Oerter, wo einem Angſt und bange wird. Der Moder, der Todtengeruch, womit wir unſere Kirchen ver- peſten, wie ſchrecklich zieht er dahin und da- her, wenn er eingemauert wird? Bringt den Todten in die freye Luft, er iſt leben- dig. R 5

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/271>, abgerufen am 23.11.2024.