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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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lich dieser Vorgang hobelte nicht nur dem Sarg-
tischler das Herz ab -- ich war wie er, hin!
Er schluchzte unter der Schürze! -- Freund!
sing der Prediger an, man sieht und hört es
ihm an, daß er beym Herrn Grafen das Sarg-
handwerk noch nicht ausgelernt. -- Es wird
sich geben -- ist er denn nicht auch sterblich? --
Seine Mitarbeiter, die sich bis dahin nicht ei-
nen Augenblick abhalten laßen, kamen itzt
zusammen, als kämen sie zur Kirche. Einer
nahm ihn an die Hand, ein anderer streichelt'
ihm den Arm, ein dritter legte seinen Kopf
auf seine Schulter, als ob er ihm Trost ins
Ohr sagen wollte, der vierte, der unempfind-
lichste, wolt' ihm den Vorhang wegreißen.
Unser Betrübte hielte die Schürze fest vors
Gesicht. Dieser vierte schien es eben so gut
zu meynen, wie die drey andern; allein wer
den Menschen kennt, wird es finden, was
für eine grausame Beschämung es für unsern
Weinenden gewesen wäre, wenn er uns alle
ins Gesicht bekommen hätte. Der Mensch
scheint sich in dergleichen Fällen zu schämen,
daß so viele Leute gefaßt sind, nur er nicht. --
Ueberhaupt sieht man selten den Tröster an,
es wäre denn, daß viele Trostbedürftige zu-
sammen sind; dann überträgt einer den an-

dern
B 3

lich dieſer Vorgang hobelte nicht nur dem Sarg-
tiſchler das Herz ab — ich war wie er, hin!
Er ſchluchzte unter der Schuͤrze! — Freund!
ſing der Prediger an, man ſieht und hoͤrt es
ihm an, daß er beym Herrn Grafen das Sarg-
handwerk noch nicht ausgelernt. — Es wird
ſich geben — iſt er denn nicht auch ſterblich? —
Seine Mitarbeiter, die ſich bis dahin nicht ei-
nen Augenblick abhalten laßen, kamen itzt
zuſammen, als kaͤmen ſie zur Kirche. Einer
nahm ihn an die Hand, ein anderer ſtreichelt’
ihm den Arm, ein dritter legte ſeinen Kopf
auf ſeine Schulter, als ob er ihm Troſt ins
Ohr ſagen wollte, der vierte, der unempfind-
lichſte, wolt’ ihm den Vorhang wegreißen.
Unſer Betruͤbte hielte die Schuͤrze feſt vors
Geſicht. Dieſer vierte ſchien es eben ſo gut
zu meynen, wie die drey andern; allein wer
den Menſchen kennt, wird es finden, was
fuͤr eine grauſame Beſchaͤmung es fuͤr unſern
Weinenden geweſen waͤre, wenn er uns alle
ins Geſicht bekommen haͤtte. Der Menſch
ſcheint ſich in dergleichen Faͤllen zu ſchaͤmen,
daß ſo viele Leute gefaßt ſind, nur er nicht. —
Ueberhaupt ſieht man ſelten den Troͤſter an,
es waͤre denn, daß viele Troſtbeduͤrftige zu-
ſammen ſind; dann uͤbertraͤgt einer den an-

dern
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[21/0027] lich dieſer Vorgang hobelte nicht nur dem Sarg- tiſchler das Herz ab — ich war wie er, hin! Er ſchluchzte unter der Schuͤrze! — Freund! ſing der Prediger an, man ſieht und hoͤrt es ihm an, daß er beym Herrn Grafen das Sarg- handwerk noch nicht ausgelernt. — Es wird ſich geben — iſt er denn nicht auch ſterblich? — Seine Mitarbeiter, die ſich bis dahin nicht ei- nen Augenblick abhalten laßen, kamen itzt zuſammen, als kaͤmen ſie zur Kirche. Einer nahm ihn an die Hand, ein anderer ſtreichelt’ ihm den Arm, ein dritter legte ſeinen Kopf auf ſeine Schulter, als ob er ihm Troſt ins Ohr ſagen wollte, der vierte, der unempfind- lichſte, wolt’ ihm den Vorhang wegreißen. Unſer Betruͤbte hielte die Schuͤrze feſt vors Geſicht. Dieſer vierte ſchien es eben ſo gut zu meynen, wie die drey andern; allein wer den Menſchen kennt, wird es finden, was fuͤr eine grauſame Beſchaͤmung es fuͤr unſern Weinenden geweſen waͤre, wenn er uns alle ins Geſicht bekommen haͤtte. Der Menſch ſcheint ſich in dergleichen Faͤllen zu ſchaͤmen, daß ſo viele Leute gefaßt ſind, nur er nicht. — Ueberhaupt ſieht man ſelten den Troͤſter an, es waͤre denn, daß viele Troſtbeduͤrftige zu- ſammen ſind; dann uͤbertraͤgt einer den an- dern B 3

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/27>, abgerufen am 23.11.2024.