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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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Prediger, sagt' ich dem ersten, wegen der ge-
habten Auslagen. Ich zog den beyden Gold-
stücken kein weißes Hemd an; denn eben da-
durch würd' es ein Geschenk, eine Verehrung,
geworden seyn, und schenken, welch ein gräß-
liches Wort ist es, unter Leuten, die empfin-
den können! Der Prediger kam mir mit ei-
nem gleich kalten: Wofür? entgegen, und
nach einem kleinen Wortwechsel bliebs dabey,
daß ich ihm die baaren Auslagen ersetzen soll-
te; als Unterpfand, fuhr ich zwar eben so
kalt und ehrlich, allein lange nicht so treffend
und anständig, fort; ich habe kein ander Geld.
Ich brauche kein Unterpfand, erwiederte der
Prediger, und um der Sache ein Ende zu
machen, geben sie die Auslagen, die sich auf
2 Rthlr. betragen, meinem Bruder; dem,
das wußte der Prediger, durft' ich mit einem
Schaustück gewis nicht ankommen. --

Daß man doch nicht umsonst sterben kann,
sagte der Prediger, wir sollen nicht sorgen für
den andern Morgen; unser Arme muß wei-
ter hinaus, und für sein Begräbnis sorgen
-- -- wie der Mann mit dem einen Handschu.

Der Organist erlies ein großes Danksa-
gungsschreiben an mich, und bat höchlich sichs
dagegen aus, die Stellen in seiner Abdan-

kung

Prediger, ſagt’ ich dem erſten, wegen der ge-
habten Auslagen. Ich zog den beyden Gold-
ſtuͤcken kein weißes Hemd an; denn eben da-
durch wuͤrd’ es ein Geſchenk, eine Verehrung,
geworden ſeyn, und ſchenken, welch ein graͤß-
liches Wort iſt es, unter Leuten, die empfin-
den koͤnnen! Der Prediger kam mir mit ei-
nem gleich kalten: Wofuͤr? entgegen, und
nach einem kleinen Wortwechſel bliebs dabey,
daß ich ihm die baaren Auslagen erſetzen ſoll-
te; als Unterpfand, fuhr ich zwar eben ſo
kalt und ehrlich, allein lange nicht ſo treffend
und anſtaͤndig, fort; ich habe kein ander Geld.
Ich brauche kein Unterpfand, erwiederte der
Prediger, und um der Sache ein Ende zu
machen, geben ſie die Auslagen, die ſich auf
2 Rthlr. betragen, meinem Bruder; dem,
das wußte der Prediger, durft’ ich mit einem
Schauſtuͤck gewis nicht ankommen. —

Daß man doch nicht umſonſt ſterben kann,
ſagte der Prediger, wir ſollen nicht ſorgen fuͤr
den andern Morgen; unſer Arme muß wei-
ter hinaus, und fuͤr ſein Begraͤbnis ſorgen
— — wie der Mann mit dem einen Handſchu.

Der Organiſt erlies ein großes Dankſa-
gungsſchreiben an mich, und bat hoͤchlich ſichs
dagegen aus, die Stellen in ſeiner Abdan-

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[248/0254] Prediger, ſagt’ ich dem erſten, wegen der ge- habten Auslagen. Ich zog den beyden Gold- ſtuͤcken kein weißes Hemd an; denn eben da- durch wuͤrd’ es ein Geſchenk, eine Verehrung, geworden ſeyn, und ſchenken, welch ein graͤß- liches Wort iſt es, unter Leuten, die empfin- den koͤnnen! Der Prediger kam mir mit ei- nem gleich kalten: Wofuͤr? entgegen, und nach einem kleinen Wortwechſel bliebs dabey, daß ich ihm die baaren Auslagen erſetzen ſoll- te; als Unterpfand, fuhr ich zwar eben ſo kalt und ehrlich, allein lange nicht ſo treffend und anſtaͤndig, fort; ich habe kein ander Geld. Ich brauche kein Unterpfand, erwiederte der Prediger, und um der Sache ein Ende zu machen, geben ſie die Auslagen, die ſich auf 2 Rthlr. betragen, meinem Bruder; dem, das wußte der Prediger, durft’ ich mit einem Schauſtuͤck gewis nicht ankommen. — Daß man doch nicht umſonſt ſterben kann, ſagte der Prediger, wir ſollen nicht ſorgen fuͤr den andern Morgen; unſer Arme muß wei- ter hinaus, und fuͤr ſein Begraͤbnis ſorgen — — wie der Mann mit dem einen Handſchu. Der Organiſt erlies ein großes Dankſa- gungsſchreiben an mich, und bat hoͤchlich ſichs dagegen aus, die Stellen in ſeiner Abdan- kung

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/254>, abgerufen am 22.11.2024.