Ich bin sonst sehr fürs Abschied nehmen, wovon ich in diesem Buch manches Pröbchen gegeben; allein hier, kann ich? --
Das ganze Leben des Grafen war eigent- lich ein feyerliches Abschiednehmen, nicht be- stehend in: Leben Sie wohl, Dank für alle erzeigte Güte! -- wünsche so glücklich zu seyn, vom Wohlbefinden die besten Nachrichten ein- zuziehen! Solch elend jämmerlich Zeug hat das Abschiednehmen, so wie das Gesundheit- trinken bürgerlich gemacht! -- und doch liegt in einem Leben, im andern Sterben. Ich trinke Gesundheit, und nehme Abschied. -- --
Wahrlich, ich kann es nicht beschreiben, mit welcher Bewegung ich diesen Hochgebohr- nen Todtengräber verlies. Auf meinen wohl- ehrwürdigen Reisegefehrten konnten diese Dinge natürlicher weise keinen so starken Ein- druck machen. Der Prediger kannte das Erdreich auf diesem Gottesacker, und hatte hier zuweilen selbst die Hand an den Pflug legen müßen. Anfang, Mitte und Ende mei- nes Aufenthalts auf dem gräflichen Gute lag auf meiner Seele; allein sanft war mir dieses Joch, leicht diese Last. Hier oder dort! Ich dachte nicht das Hier. Hier galt bey mir
wenig,
Ich bin ſonſt ſehr fuͤrs Abſchied nehmen, wovon ich in dieſem Buch manches Proͤbchen gegeben; allein hier, kann ich? —
Das ganze Leben des Grafen war eigent- lich ein feyerliches Abſchiednehmen, nicht be- ſtehend in: Leben Sie wohl, Dank fuͤr alle erzeigte Guͤte! — wuͤnſche ſo gluͤcklich zu ſeyn, vom Wohlbefinden die beſten Nachrichten ein- zuziehen! Solch elend jaͤmmerlich Zeug hat das Abſchiednehmen, ſo wie das Geſundheit- trinken buͤrgerlich gemacht! — und doch liegt in einem Leben, im andern Sterben. Ich trinke Geſundheit, und nehme Abſchied. — —
Wahrlich, ich kann es nicht beſchreiben, mit welcher Bewegung ich dieſen Hochgebohr- nen Todtengraͤber verlies. Auf meinen wohl- ehrwuͤrdigen Reiſegefehrten konnten dieſe Dinge natuͤrlicher weiſe keinen ſo ſtarken Ein- druck machen. Der Prediger kannte das Erdreich auf dieſem Gottesacker, und hatte hier zuweilen ſelbſt die Hand an den Pflug legen muͤßen. Anfang, Mitte und Ende mei- nes Aufenthalts auf dem graͤflichen Gute lag auf meiner Seele; allein ſanft war mir dieſes Joch, leicht dieſe Laſt. Hier oder dort! Ich dachte nicht das Hier. Hier galt bey mir
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Ich bin ſonſt ſehr fuͤrs Abſchied nehmen,
wovon ich in dieſem Buch manches Proͤbchen
gegeben; allein hier, kann ich? —
Das ganze Leben des Grafen war eigent-
lich ein feyerliches Abſchiednehmen, nicht be-
ſtehend in: Leben Sie wohl, Dank fuͤr alle
erzeigte Guͤte! — wuͤnſche ſo gluͤcklich zu ſeyn,
vom Wohlbefinden die beſten Nachrichten ein-
zuziehen! Solch elend jaͤmmerlich Zeug hat
das Abſchiednehmen, ſo wie das Geſundheit-
trinken buͤrgerlich gemacht! — und doch liegt
in einem Leben, im andern Sterben. Ich
trinke Geſundheit, und nehme Abſchied. — —
Wahrlich, ich kann es nicht beſchreiben,
mit welcher Bewegung ich dieſen Hochgebohr-
nen Todtengraͤber verlies. Auf meinen wohl-
ehrwuͤrdigen Reiſegefehrten konnten dieſe
Dinge natuͤrlicher weiſe keinen ſo ſtarken Ein-
druck machen. Der Prediger kannte das
Erdreich auf dieſem Gottesacker, und hatte
hier zuweilen ſelbſt die Hand an den Pflug
legen muͤßen. Anfang, Mitte und Ende mei-
nes Aufenthalts auf dem graͤflichen Gute lag
auf meiner Seele; allein ſanft war mir dieſes
Joch, leicht dieſe Laſt. Hier oder dort! Ich
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/238>, abgerufen am 22.11.2024.
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