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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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Der Christ will keinen verführen. Er giebt
jedem die Bibel in die Hand, und da ließt
sich jeder heraus, was seinem Verstande ge-
mäß ist. Es finden sich Sprüche für Gelehr-
te und Ungelehrte, Reiche und Arme. Hier
ist harte Kost, hier ist Milch, starker Wein
und Labetränke! Die Bibel ist allen allerley.
Sie ist für Leben und Tod! Sie lehrt uns
Cisternen auszusetzen, um himmlisches Waßer
aufzufangen. Der Geist der heiligen Schrift
ist so kurz, als das Vater unser. Glaubt,
liebe Nichtchristen, im Sterben sieht man
Gott, sich, und die Welt aus einem andern
Gesichtspunkte, als im Leben!

Laßt mich an Ort und Stelle, laßt mich
zurück, wo ich ausgieng!

Was Johannes sagt, ist jeden Augenblick
wahr: Kinder, es ist die lezte Stunde! --
Wohl uns allen, wenn wir bereit sind zu
stehen, vor des Menschen Sohn! Wenn wir
ihm unter Augen treten und sagen können:
wie du gewandelt hast, haben auch wir ge-
wandelt; so ehrlich wie du gelehrt hast, ha-
ben auch wir gelehrt! Gestern haben wir
überwunden! Heute laß uns mit dir im
Paradiese seyn!

Komm

Der Chriſt will keinen verfuͤhren. Er giebt
jedem die Bibel in die Hand, und da ließt
ſich jeder heraus, was ſeinem Verſtande ge-
maͤß iſt. Es finden ſich Spruͤche fuͤr Gelehr-
te und Ungelehrte, Reiche und Arme. Hier
iſt harte Koſt, hier iſt Milch, ſtarker Wein
und Labetraͤnke! Die Bibel iſt allen allerley.
Sie iſt fuͤr Leben und Tod! Sie lehrt uns
Ciſternen auszuſetzen, um himmliſches Waßer
aufzufangen. Der Geiſt der heiligen Schrift
iſt ſo kurz, als das Vater unſer. Glaubt,
liebe Nichtchriſten, im Sterben ſieht man
Gott, ſich, und die Welt aus einem andern
Geſichtspunkte, als im Leben!

Laßt mich an Ort und Stelle, laßt mich
zuruͤck, wo ich ausgieng!

Was Johannes ſagt, iſt jeden Augenblick
wahr: Kinder, es iſt die lezte Stunde!
Wohl uns allen, wenn wir bereit ſind zu
ſtehen, vor des Menſchen Sohn! Wenn wir
ihm unter Augen treten und ſagen koͤnnen:
wie du gewandelt haſt, haben auch wir ge-
wandelt; ſo ehrlich wie du gelehrt haſt, ha-
ben auch wir gelehrt! Geſtern haben wir
uͤberwunden! Heute laß uns mit dir im
Paradieſe ſeyn!

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[230/0236] Der Chriſt will keinen verfuͤhren. Er giebt jedem die Bibel in die Hand, und da ließt ſich jeder heraus, was ſeinem Verſtande ge- maͤß iſt. Es finden ſich Spruͤche fuͤr Gelehr- te und Ungelehrte, Reiche und Arme. Hier iſt harte Koſt, hier iſt Milch, ſtarker Wein und Labetraͤnke! Die Bibel iſt allen allerley. Sie iſt fuͤr Leben und Tod! Sie lehrt uns Ciſternen auszuſetzen, um himmliſches Waßer aufzufangen. Der Geiſt der heiligen Schrift iſt ſo kurz, als das Vater unſer. Glaubt, liebe Nichtchriſten, im Sterben ſieht man Gott, ſich, und die Welt aus einem andern Geſichtspunkte, als im Leben! Laßt mich an Ort und Stelle, laßt mich zuruͤck, wo ich ausgieng! Was Johannes ſagt, iſt jeden Augenblick wahr: Kinder, es iſt die lezte Stunde! — Wohl uns allen, wenn wir bereit ſind zu ſtehen, vor des Menſchen Sohn! Wenn wir ihm unter Augen treten und ſagen koͤnnen: wie du gewandelt haſt, haben auch wir ge- wandelt; ſo ehrlich wie du gelehrt haſt, ha- ben auch wir gelehrt! Geſtern haben wir uͤberwunden! Heute laß uns mit dir im Paradieſe ſeyn! Komm

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/236>, abgerufen am 22.11.2024.