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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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ken, predigt viel Gesetz; allein kein Evange-
lium. Jener ist der Meynung, der Mensch
könne sich nicht besser machen, als er ist.
Seine Neigungen sind nicht Vorschriften, die
er sich selbst gegeben, sondern steinerne Ge-
setztafeln, die man zwar zerbrechen kann:
wer aber, fragen diese gute Herren, wer kann
ein Gebot der Neigung ausradieren? Es ist
ja ein Stein. Dieser ist sinnlich, jener
geistlich. Dieser ein Kopfhänger, jener
fröhlich und guter Dinge. Der zweifelt über
alles, auch selbst, daß er zweifelt, dieser thut
so grundgelehrt auf seine Worte, daß man
würklich glauben sollte, er wüßte Etwas.
Ein Einfall, sagt er, ist ein einziger Fall, den
auch ein bloßer Witzling haben kann. Mir
stehen Principien, das heißt, eine Sammlung
aller Fälle zu! -- Gut! aber wo sind denn
deine Principien, in so weit sie würklich weise
und selig machen? Die Philosophen sind
Räthselaufgeber; sie lehren Räthsel, und leh-
ren sie räthselhaft. Eine Volksphilosophie
müste so kurz ausfallen, wie Luthers kleiner
Catechismus. Ist denn die Wahrheit nicht
nackt, und wenn einige der Alten für Dunkel-
heiten waren, musten sie es nicht wegen der
Unvernunft des Volks seyn? Jezt aber, ihr

Wei-

ken, predigt viel Geſetz; allein kein Evange-
lium. Jener iſt der Meynung, der Menſch
koͤnne ſich nicht beſſer machen, als er iſt.
Seine Neigungen ſind nicht Vorſchriften, die
er ſich ſelbſt gegeben, ſondern ſteinerne Ge-
ſetztafeln, die man zwar zerbrechen kann:
wer aber, fragen dieſe gute Herren, wer kann
ein Gebot der Neigung ausradieren? Es iſt
ja ein Stein. Dieſer iſt ſinnlich, jener
geiſtlich. Dieſer ein Kopfhaͤnger, jener
froͤhlich und guter Dinge. Der zweifelt uͤber
alles, auch ſelbſt, daß er zweifelt, dieſer thut
ſo grundgelehrt auf ſeine Worte, daß man
wuͤrklich glauben ſollte, er wuͤßte Etwas.
Ein Einfall, ſagt er, iſt ein einziger Fall, den
auch ein bloßer Witzling haben kann. Mir
ſtehen Principien, das heißt, eine Sammlung
aller Faͤlle zu! — Gut! aber wo ſind denn
deine Principien, in ſo weit ſie wuͤrklich weiſe
und ſelig machen? Die Philoſophen ſind
Raͤthſelaufgeber; ſie lehren Raͤthſel, und leh-
ren ſie raͤthſelhaft. Eine Volksphiloſophie
muͤſte ſo kurz ausfallen, wie Luthers kleiner
Catechismus. Iſt denn die Wahrheit nicht
nackt, und wenn einige der Alten fuͤr Dunkel-
heiten waren, muſten ſie es nicht wegen der
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[222/0228] ken, predigt viel Geſetz; allein kein Evange- lium. Jener iſt der Meynung, der Menſch koͤnne ſich nicht beſſer machen, als er iſt. Seine Neigungen ſind nicht Vorſchriften, die er ſich ſelbſt gegeben, ſondern ſteinerne Ge- ſetztafeln, die man zwar zerbrechen kann: wer aber, fragen dieſe gute Herren, wer kann ein Gebot der Neigung ausradieren? Es iſt ja ein Stein. Dieſer iſt ſinnlich, jener geiſtlich. Dieſer ein Kopfhaͤnger, jener froͤhlich und guter Dinge. Der zweifelt uͤber alles, auch ſelbſt, daß er zweifelt, dieſer thut ſo grundgelehrt auf ſeine Worte, daß man wuͤrklich glauben ſollte, er wuͤßte Etwas. Ein Einfall, ſagt er, iſt ein einziger Fall, den auch ein bloßer Witzling haben kann. Mir ſtehen Principien, das heißt, eine Sammlung aller Faͤlle zu! — Gut! aber wo ſind denn deine Principien, in ſo weit ſie wuͤrklich weiſe und ſelig machen? Die Philoſophen ſind Raͤthſelaufgeber; ſie lehren Raͤthſel, und leh- ren ſie raͤthſelhaft. Eine Volksphiloſophie muͤſte ſo kurz ausfallen, wie Luthers kleiner Catechismus. Iſt denn die Wahrheit nicht nackt, und wenn einige der Alten fuͤr Dunkel- heiten waren, muſten ſie es nicht wegen der Unvernunft des Volks ſeyn? Jezt aber, ihr Wei-

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/228>, abgerufen am 22.11.2024.