wir annehmen, daß wir Gott in seinen Wer- ken näher schauen, daß wir tugendhafter, und also auch glücklicher, seyn werden, was wollen wir denn mehr? Der christliche Him- mel bestehet in reiner Wahrheit und voll- kommner Tugend. Sehen wir gleich hier nur durch einen Spiegel in einen dunklen Ort; so ist es doch genug zu wissen, daß, wenn gleich unser äusserlicher Mensch verwe- set, der innerliche jedoch von Tage zu Tage erneuert und stärker wird. Ist denn das nicht Gewehrleistung für die andre Welt? Ein äch- ter Christ ist hier schon im Himmel! Er sieht sich ab und zunehmen, das Sichtbare, das Zeitliche fällt, das Unsichtbare, das Ewige, hebt sich! -- Er hat das andere Leben in der Hand! -- Es ist ihm so nahe, als der Leib der Seele! -- Warum sollten wir uns be- mühen, zu bestimmen, ob aus Steinen Pflan- zen, aus Pflanzen Thiere, aus Thiere Men- schen, aus Menschen Engel werden? Ob wir in eine Sonne, oder in einen Planeten, ob wir in ein Winter- oder Sommerzimmer un- sers lieben Gottes dereinst einziehen? Ob wir in unser Sonnensystem, oder wo anders hin- kommen? Beydes, Leben und Tod, ist dem, der alles recht bedenkt, wünschenswerth.
Gott
wir annehmen, daß wir Gott in ſeinen Wer- ken naͤher ſchauen, daß wir tugendhafter, und alſo auch gluͤcklicher, ſeyn werden, was wollen wir denn mehr? Der chriſtliche Him- mel beſtehet in reiner Wahrheit und voll- kommner Tugend. Sehen wir gleich hier nur durch einen Spiegel in einen dunklen Ort; ſo iſt es doch genug zu wiſſen, daß, wenn gleich unſer aͤuſſerlicher Menſch verwe- ſet, der innerliche jedoch von Tage zu Tage erneuert und ſtaͤrker wird. Iſt denn das nicht Gewehrleiſtung fuͤr die andre Welt? Ein aͤch- ter Chriſt iſt hier ſchon im Himmel! Er ſieht ſich ab und zunehmen, das Sichtbare, das Zeitliche faͤllt, das Unſichtbare, das Ewige, hebt ſich! — Er hat das andere Leben in der Hand! — Es iſt ihm ſo nahe, als der Leib der Seele! — Warum ſollten wir uns be- muͤhen, zu beſtimmen, ob aus Steinen Pflan- zen, aus Pflanzen Thiere, aus Thiere Men- ſchen, aus Menſchen Engel werden? Ob wir in eine Sonne, oder in einen Planeten, ob wir in ein Winter- oder Sommerzimmer un- ſers lieben Gottes dereinſt einziehen? Ob wir in unſer Sonnenſyſtem, oder wo anders hin- kommen? Beydes, Leben und Tod, iſt dem, der alles recht bedenkt, wuͤnſchenswerth.
Gott
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wir annehmen, daß wir Gott in ſeinen Wer-
ken naͤher ſchauen, daß wir tugendhafter,
und alſo auch gluͤcklicher, ſeyn werden, was
wollen wir denn mehr? Der chriſtliche Him-
mel beſtehet in reiner Wahrheit und voll-
kommner Tugend. Sehen wir gleich hier
nur durch einen Spiegel in einen dunklen
Ort; ſo iſt es doch genug zu wiſſen, daß,
wenn gleich unſer aͤuſſerlicher Menſch verwe-
ſet, der innerliche jedoch von Tage zu Tage
erneuert und ſtaͤrker wird. Iſt denn das nicht
Gewehrleiſtung fuͤr die andre Welt? Ein aͤch-
ter Chriſt iſt hier ſchon im Himmel! Er ſieht
ſich ab und zunehmen, das Sichtbare, das
Zeitliche faͤllt, das Unſichtbare, das Ewige,
hebt ſich! — Er hat das andere Leben in der
Hand! — Es iſt ihm ſo nahe, als der Leib
der Seele! — Warum ſollten wir uns be-
muͤhen, zu beſtimmen, ob aus Steinen Pflan-
zen, aus Pflanzen Thiere, aus Thiere Men-
ſchen, aus Menſchen Engel werden? Ob wir
in eine Sonne, oder in einen Planeten, ob
wir in ein Winter- oder Sommerzimmer un-
ſers lieben Gottes dereinſt einziehen? Ob wir
in unſer Sonnenſyſtem, oder wo anders hin-
kommen? Beydes, Leben und Tod, iſt dem,
der alles recht bedenkt, wuͤnſchenswerth.
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/226>, abgerufen am 18.12.2024.
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