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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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sinn heißt: ich habe Lust abzuscheiden. --
Gern wolt' ich bey Minen seyn und solt' ich
nicht wollen? Nach des Grafen Meynung
nicht. In dieser Aussicht sterben heißt: sich
den Tod verderben, ihn mit allem Fleiß ver-
unstalten, ihm den gesunden natürlichen Ge-
schmack nehmen, Englisch Gewürz, Galgant,
Pfeffer, Kreydnelken dran legen. Man muß
sterben, um zu sterben. Der Graf hatte
hierüber mit dem Prediger eine sehr gelehrte
Unterredung. Ich vernahm die Worte nicht;
allein der Geist von allem würkte auf mich.
Mein Vater pflegte dies Würken, Wanken
zu heissen, wie man von Gespenstern sagt: sie
wanken. Ich wankte. Es war mir, als
hört' ich in der Ferne läuten. Der Hauptin-
halt der gelehrten Unterredung war: ob man
nicht auch durch künstliche Mittel berechtiget
wäre, sich den Tod zu erleichtern? Der Graf
behauptete Nein, und nannte diese Kunst Be-
trug, wenn sie wollen, frommen Betrug.
Ich will aber nicht fromm betrogen werden.

Es sey nun aber wie ihm wolle. Mine
war mein Schutzengel bey meinem Seelen-
zufall. Sie stärkte mich. Ich hohlte alles
nach, was ich bey ihrem Grabe durch Betäu-
bung übersprungen hatte. O wie gern wolt'

ich

ſinn heißt: ich habe Luſt abzuſcheiden.
Gern wolt’ ich bey Minen ſeyn und ſolt’ ich
nicht wollen? Nach des Grafen Meynung
nicht. In dieſer Ausſicht ſterben heißt: ſich
den Tod verderben, ihn mit allem Fleiß ver-
unſtalten, ihm den geſunden natuͤrlichen Ge-
ſchmack nehmen, Engliſch Gewuͤrz, Galgant,
Pfeffer, Kreydnelken dran legen. Man muß
ſterben, um zu ſterben. Der Graf hatte
hieruͤber mit dem Prediger eine ſehr gelehrte
Unterredung. Ich vernahm die Worte nicht;
allein der Geiſt von allem wuͤrkte auf mich.
Mein Vater pflegte dies Wuͤrken, Wanken
zu heiſſen, wie man von Geſpenſtern ſagt: ſie
wanken. Ich wankte. Es war mir, als
hoͤrt’ ich in der Ferne laͤuten. Der Hauptin-
halt der gelehrten Unterredung war: ob man
nicht auch durch kuͤnſtliche Mittel berechtiget
waͤre, ſich den Tod zu erleichtern? Der Graf
behauptete Nein, und nannte dieſe Kunſt Be-
trug, wenn ſie wollen, frommen Betrug.
Ich will aber nicht fromm betrogen werden.

Es ſey nun aber wie ihm wolle. Mine
war mein Schutzengel bey meinem Seelen-
zufall. Sie ſtaͤrkte mich. Ich hohlte alles
nach, was ich bey ihrem Grabe durch Betaͤu-
bung uͤberſprungen hatte. O wie gern wolt’

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[146/0152] ſinn heißt: ich habe Luſt abzuſcheiden. — Gern wolt’ ich bey Minen ſeyn und ſolt’ ich nicht wollen? Nach des Grafen Meynung nicht. In dieſer Ausſicht ſterben heißt: ſich den Tod verderben, ihn mit allem Fleiß ver- unſtalten, ihm den geſunden natuͤrlichen Ge- ſchmack nehmen, Engliſch Gewuͤrz, Galgant, Pfeffer, Kreydnelken dran legen. Man muß ſterben, um zu ſterben. Der Graf hatte hieruͤber mit dem Prediger eine ſehr gelehrte Unterredung. Ich vernahm die Worte nicht; allein der Geiſt von allem wuͤrkte auf mich. Mein Vater pflegte dies Wuͤrken, Wanken zu heiſſen, wie man von Geſpenſtern ſagt: ſie wanken. Ich wankte. Es war mir, als hoͤrt’ ich in der Ferne laͤuten. Der Hauptin- halt der gelehrten Unterredung war: ob man nicht auch durch kuͤnſtliche Mittel berechtiget waͤre, ſich den Tod zu erleichtern? Der Graf behauptete Nein, und nannte dieſe Kunſt Be- trug, wenn ſie wollen, frommen Betrug. Ich will aber nicht fromm betrogen werden. Es ſey nun aber wie ihm wolle. Mine war mein Schutzengel bey meinem Seelen- zufall. Sie ſtaͤrkte mich. Ich hohlte alles nach, was ich bey ihrem Grabe durch Betaͤu- bung uͤberſprungen hatte. O wie gern wolt’ ich

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/152>, abgerufen am 23.11.2024.