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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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ken, wohl, daß auch wir des Bleibens nicht
hahn, müßen alle davon, gelehrt, jung, reich,
alt oder schön! Du aber, mein Sohn, schone
dich in Preußen, es scheinet eine Grube zu
seyn, wo alles fällt, was aus Curland ist. --

Wenn es nicht mehr leben kann, liebe
Mutter! Aus dieser Stelle sollte man nicht
schlüßen, daß meine Mutter ihren Casum
setzt und fromm ist -- in dem Sinn, wo
fromm seyn Etwas geistliche Aufgeblasenheit,
geistliche Stärke durch Kraftmehl ist, die hart
und ansehnlich macht. -- Vergib mir, Mut-
ter, wenn ich dir im zweyten Theil zu viel
that. Ich thats im Traum, wie Pastors L--
Trinchen. Wenn ein einziges empfindliches
Herz eine Thräne bey diesem Grabe gemein-
schaftlich mit mir weint, so hat die Arme!
ein schönes Leichenbegängnis. Meine Thrä-
ne hat eine schwere Geburt. Fast nimmt sie
mir das Auge mit. Die Deinige, liebe Lese-
rin! falle sanft auf dieses Blatt, und diene
deiner Tochter zum Zeichen, diese Stelle wie-
der zu finden, wenn sie ihr nöthig ist.

Alle diese Auftritte, welche uns andert-
halb Tage beschäftigten, hatten mich so mit-
genommen, daß ich bey einem Haar zum
zweytenmal in diesem Buche krank geworden

wäre.

ken, wohl, daß auch wir des Bleibens nicht
hahn, muͤßen alle davon, gelehrt, jung, reich,
alt oder ſchoͤn! Du aber, mein Sohn, ſchone
dich in Preußen, es ſcheinet eine Grube zu
ſeyn, wo alles faͤllt, was aus Curland iſt. —

Wenn es nicht mehr leben kann, liebe
Mutter! Aus dieſer Stelle ſollte man nicht
ſchluͤßen, daß meine Mutter ihren Caſum
ſetzt und fromm iſt — in dem Sinn, wo
fromm ſeyn Etwas geiſtliche Aufgeblaſenheit,
geiſtliche Staͤrke durch Kraftmehl iſt, die hart
und anſehnlich macht. — Vergib mir, Mut-
ter, wenn ich dir im zweyten Theil zu viel
that. Ich thats im Traum, wie Paſtors L—
Trinchen. Wenn ein einziges empfindliches
Herz eine Thraͤne bey dieſem Grabe gemein-
ſchaftlich mit mir weint, ſo hat die Arme!
ein ſchoͤnes Leichenbegaͤngnis. Meine Thraͤ-
ne hat eine ſchwere Geburt. Faſt nimmt ſie
mir das Auge mit. Die Deinige, liebe Leſe-
rin! falle ſanft auf dieſes Blatt, und diene
deiner Tochter zum Zeichen, dieſe Stelle wie-
der zu finden, wenn ſie ihr noͤthig iſt.

Alle dieſe Auftritte, welche uns andert-
halb Tage beſchaͤftigten, hatten mich ſo mit-
genommen, daß ich bey einem Haar zum
zweytenmal in dieſem Buche krank geworden

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[140/0146] ken, wohl, daß auch wir des Bleibens nicht hahn, muͤßen alle davon, gelehrt, jung, reich, alt oder ſchoͤn! Du aber, mein Sohn, ſchone dich in Preußen, es ſcheinet eine Grube zu ſeyn, wo alles faͤllt, was aus Curland iſt. — Wenn es nicht mehr leben kann, liebe Mutter! Aus dieſer Stelle ſollte man nicht ſchluͤßen, daß meine Mutter ihren Caſum ſetzt und fromm iſt — in dem Sinn, wo fromm ſeyn Etwas geiſtliche Aufgeblaſenheit, geiſtliche Staͤrke durch Kraftmehl iſt, die hart und anſehnlich macht. — Vergib mir, Mut- ter, wenn ich dir im zweyten Theil zu viel that. Ich thats im Traum, wie Paſtors L— Trinchen. Wenn ein einziges empfindliches Herz eine Thraͤne bey dieſem Grabe gemein- ſchaftlich mit mir weint, ſo hat die Arme! ein ſchoͤnes Leichenbegaͤngnis. Meine Thraͤ- ne hat eine ſchwere Geburt. Faſt nimmt ſie mir das Auge mit. Die Deinige, liebe Leſe- rin! falle ſanft auf dieſes Blatt, und diene deiner Tochter zum Zeichen, dieſe Stelle wie- der zu finden, wenn ſie ihr noͤthig iſt. Alle dieſe Auftritte, welche uns andert- halb Tage beſchaͤftigten, hatten mich ſo mit- genommen, daß ich bey einem Haar zum zweytenmal in dieſem Buche krank geworden waͤre.

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/146>, abgerufen am 27.11.2024.