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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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glauben, und die Tochter sich einbilden, was
jedes wolte. Er muste, eh' aus ihm und der
Tochter ein Paar und, die Mutter zugerechnet,
ein Dreyblatt werden konnte, von seiner vo-
rigen Frau nach der Sitte im Lande geschieden
werden. Es ist ein Greuel in Preussen, zwey
Weiber zu gleicher Zeit haben; allein ich hab'
einen Mann gekannt, der zwey Frauen, von
denen er geschieden war, bey sich hatte, die
dritte ungerechnet, mit der er aber priester-
lich verbunden war. Es kommt alles auf die
Form an! -- Gott, der du Mann und Weib,
Adam und Eva, schufst! --

Der Bräutigam schrieb an seine Frau ei-
nen schrecklichen Brief. Er beschuldigte sie
der schwärzesten Laster und trug es ihr als
eine Grosmuth an, daß er sich aller Beahn-
dung in bester Rechtsform begeben wolte,
wenn sie gutwillig unter dem Vorwande, daß
eine Todtfeindschaft sich zwischen sie ins Ehe-
bette gelegt, in die Trennung willigen würde.
Das arme Weib, die sich ihrer Unschuld be-
wust war, antwortete ihm, wie ers mit sei-
nen Sünden verdient hatte, und nun der Weg
Rechtens! Ein kleiner schielender Bube, der
Rath des Ehegerichts, (ein Verwandter von
dem Hause, mit dem der Ritter ehelich und

unehe-
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glauben, und die Tochter ſich einbilden, was
jedes wolte. Er muſte, eh’ aus ihm und der
Tochter ein Paar und, die Mutter zugerechnet,
ein Dreyblatt werden konnte, von ſeiner vo-
rigen Frau nach der Sitte im Lande geſchieden
werden. Es iſt ein Greuel in Preuſſen, zwey
Weiber zu gleicher Zeit haben; allein ich hab’
einen Mann gekannt, der zwey Frauen, von
denen er geſchieden war, bey ſich hatte, die
dritte ungerechnet, mit der er aber prieſter-
lich verbunden war. Es kommt alles auf die
Form an! — Gott, der du Mann und Weib,
Adam und Eva, ſchufſt! —

Der Braͤutigam ſchrieb an ſeine Frau ei-
nen ſchrecklichen Brief. Er beſchuldigte ſie
der ſchwaͤrzeſten Laſter und trug es ihr als
eine Grosmuth an, daß er ſich aller Beahn-
dung in beſter Rechtsform begeben wolte,
wenn ſie gutwillig unter dem Vorwande, daß
eine Todtfeindſchaft ſich zwiſchen ſie ins Ehe-
bette gelegt, in die Trennung willigen wuͤrde.
Das arme Weib, die ſich ihrer Unſchuld be-
wuſt war, antwortete ihm, wie ers mit ſei-
nen Suͤnden verdient hatte, und nun der Weg
Rechtens! Ein kleiner ſchielender Bube, der
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[131/0137] glauben, und die Tochter ſich einbilden, was jedes wolte. Er muſte, eh’ aus ihm und der Tochter ein Paar und, die Mutter zugerechnet, ein Dreyblatt werden konnte, von ſeiner vo- rigen Frau nach der Sitte im Lande geſchieden werden. Es iſt ein Greuel in Preuſſen, zwey Weiber zu gleicher Zeit haben; allein ich hab’ einen Mann gekannt, der zwey Frauen, von denen er geſchieden war, bey ſich hatte, die dritte ungerechnet, mit der er aber prieſter- lich verbunden war. Es kommt alles auf die Form an! — Gott, der du Mann und Weib, Adam und Eva, ſchufſt! — Der Braͤutigam ſchrieb an ſeine Frau ei- nen ſchrecklichen Brief. Er beſchuldigte ſie der ſchwaͤrzeſten Laſter und trug es ihr als eine Grosmuth an, daß er ſich aller Beahn- dung in beſter Rechtsform begeben wolte, wenn ſie gutwillig unter dem Vorwande, daß eine Todtfeindſchaft ſich zwiſchen ſie ins Ehe- bette gelegt, in die Trennung willigen wuͤrde. Das arme Weib, die ſich ihrer Unſchuld be- wuſt war, antwortete ihm, wie ers mit ſei- nen Suͤnden verdient hatte, und nun der Weg Rechtens! Ein kleiner ſchielender Bube, der Rath des Ehegerichts, (ein Verwandter von dem Hauſe, mit dem der Ritter ehelich und unehe- J 2

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/137>, abgerufen am 23.11.2024.